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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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öpfung ganz rot geworden war. Ihre Mutter hätte natürlich nichts dergleichen gesagt, sondern lediglich geringschätzig den Mund verzogen und gesagt, sie habe immer schon gewusst, dass Sarah im Herzen eine negative Person sei. Es brauchte jemanden mit Janes Großherzigkeit, um zu erkennen, dass andere ungeschickt waren oder schwach oder desillusioniert. »Sie verlangen von mir, dass ich meine Prinzipien verrate«, sagte sie sanft.
    »Nein, mein Kind, ich verlange, dass Sie zu ihnen stehen.«
    »Weshalb sollte ich es Mrs. Henderson nachsehen, dass sie Joanna eine Mörderin nennt. Gegen sie liegt nicht mehr vor als gegen mich vorgelegen hat, und wenn ich mich entschuldige, ist das stillschweigende Zustimmung.«
    »Unsinn«, entgegnete Jane energisch. »Es ist reine Höflichkeit einer alten Frau gegenüber. Wie Sie mit Joanna umgehen, ist eine ganz andere Sache. Wenn Sie nicht damit einverstanden sind, wie sie vom Dorf behandelt wird, müssen Sie das öffentlich demonstrieren, damit auch niemand den geringsten Zweifel daran haben kann, wem Ihre Sympathien gelten. Aber lassen Sie Ihren Zorn nicht an der armen Dolly Henderson aus, mein Kind. Man kann von ihr nicht erwarten, dass sie die Dinge so sieht wie Sie und ich. Sie hat nie unsere liberale Erziehung genossen.«
    »Gut, ich werde mich entschuldigen.«
    »Danke.«
    Sarah beugte sich pl ötzlich vor und drückte Jane einen Kuss auf die Wange-
    Die machte ein verdutztes Gesicht. »Wofür war denn das?«
    »Ach, ich weiß nicht.« Sarah lächelte. »Vielleicht dafür, dass sie für meine Mutter eingesprungen sind. Ich frage mich manchmal, ob die Ersatzmütter ihren Job nicht besser machen als die echten Mütter. Mathilda ist auch manchmal eingesprungen, wissen Sie. Sie war nicht nur chronisch übellaunig. Sie konnte so lieb sein wie Sie, wenn sie wollte.«
    »Kümmern Sie sich deshalb um Ruth? Als eine Art Gegenleistung?«
    »Finden Sie es nicht in Ordnung?«
    Jane seufzte. »Sagen wir, ich finde es etwas provokativ unter den gegebenen Umständen. Was auch immer Ihre Gründe sein mögen, im Dorf gibt es nur eine Interpretation für Ihr Handeln. Es heißt, Joanna werde binnen kurzem wegen des Mordes an ihrer Mutter verhaftet werden, und deshalb sei Ruth zu Ihnen gezogen.«
    »Ich hatte keine Ahnung, dass es so schlimm ist.« Sarah runzelte
    die Stirn. »Mein Gott, die Leute sind wirklich lächerlich. Woher holen sie nur diesen Blödsinn?«
    »Sie zählen zwei und zwei zusammen und kommen auf zwanzig.“
    »Das Schlimme ist« - sie hielt einen Moment inne -, »dass ich kaum was dagegen tun kann.«
    »Aber Sarah, es ist doch nichts weiter nötig als eine Erklärung dafür, warum Ruth bei Ihnen wohnt«, widersprach Jane. »Dann ist den Gerüchten die Spitze abgebrochen. Es wird ja doch wohl eine Erklärung geben.«
    Sarah seufzte. »Die Erklärung ist Ruths Sache, und im Augenblick ist sie nicht in der Lage, eine zu geben.«
    »Dann erfinden Sie eine«, sagte Jane unumwunden. »Lassen Sie sie Mrs. Henderson wissen, wenn Sie heute Nachmittag bei ihr vorbeifahren, und spätestens morgen Abend hat sie im ganzen Dorf die Runde gemacht. Feuer muss man mit Feuer bekämpfen, Sarah. Anders geht's nicht.«
    Mrs. Henderson war ger ührt von Dr. Blakeneys Entschuldigung wegen ihrer schlechten Laune in der Sprechstunde, fand es sehr nobel von ihr, sie extra deswegen aufzusuchen, und zeigte Verständnis dafür, dass man am nächsten Tag etwas daneben war, wenn man sich die ganze Nacht damit um die Ohren geschlagen hatte, sich um eine Siebzehnjährige zu kümmern, die alle Symptome Pfeiffer'sehen Drüsenfiebers zeigte. Allerdings verstand sie immer noch nicht ganz, warum Ruth unter diesen Umständen bei Dr. Blakeney und ihrem Mann wohnen musste. Wäre es nicht angemessener, sie wäre bei ihrer Mutter geblieben? Unbedingt, stimmte Sarah im Brustton der Überzeugung zu, und Ruth wäre es natürlich auch viel lieber gewesen, aber wie Mrs. Henderson wohl wisse, handle es sich beim Pfeiffer'sehen Drüsenfieber um eine äußerst schmerzhafte und gefährliche Virusinfektion. Da ein Wiederaufflammen der Krankheit wahrscheinlich sei, wenn die Patientin nicht ordentlich betreut werde, und Ruth ja kurz vor ihrer Abschlussprüfung stehe, habe Joanna Sarah gebeten, sie bei sich aufzunehmen, damit sie so schnell wie möglich wieder ganz gesund werde. Und unter den gegebenen Umständen, Mrs. Gillespies Testament und so weiter (hier machte Sarah angemessen verlegene Miene), habe sie ja schlecht

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