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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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bewundert. Jetzt geht plötzlich alles ruckzuck, kaum gehen sie rein, sind sie schon wieder draußen. Die alte Mrs. Henderson hat fast geweint. Was hab ich der Frau Doktor denn getan? hat sie mich gefragt. Sie hatte kaum ein freundliches Wort für mich übrig. Sie dürfen diesen Wirbel wegen Mathilda nicht so persönlich nehmen, Sarah. Das ist anderen gegenüber nicht fair.« Sie holte tief Luft. »Und sagen Sie mir jetzt nicht, dass ich nur die Sprechstundenhilfe bin und Sie die Ärztin sind. Auch Ärzte sind fehlbar, genau wie wir alle.«
    Sarah schob ein paar Papiere auf ihrem Schreibtisch hin und her. »Wollen Sie wissen, was Mrs. Hendersons erste Worte waren, als sie in mein Zimmer kam? Jetzt kann man ja unbesorgt wieder zu Ihnen kommen, Frau Doktor, ich mein, wo's doch jetzt klar ist, dass es die Tochter war, diese üble Person. Und sie hat Sie belogen. Ich hatte nicht ein einziges freundliches Wort für sie übrig. Ich habe ihr ausnahmsweise die Wahrheit gesagt, dass nämlich ihr einziges Leiden eine chronische Übellaunigkeit ist, die sich augenblicklich beheben ließe, wenn sie mal das Gute in den Menschen sähe, anstatt immer nur nach dem Schlechten zu suchen.« Sie fuchtelte Jane mit dem Bleistift vor der Nase herum. »Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass Mathilda recht hatte. Dieses Dorf ist einer der unfreundlichsten Orte der Erde, ausschließlich von bösartigen, bigotten Ignoranten bevölkert, die mit ihrem Leben nichts Besseres anzufangen wissen, als über jeden herzuziehen, der ihren banalen und kleinlichen Normen nicht entspricht. Ich habe nicht mein Mitgefühl verloren, sondern meine Scheuklappen.«
    Jane nahm Sarah den Bleistift aus der Hand, ehe er sich in eines ihrer Nasenl öcher verirren konnte. »Sie ist eine einsame alte Witwe, die nie aus diesem Dorf herausgekommen ist, und wollte Ihnen auf ihre ungeschickte Art sagen, dass es ihr leid tut, an Ihnen gezweifelt zu haben. Wenn Sie nicht großmütig genug sind, um ihrer Tolpatschigkeit mit Nachsicht zu begegnen, dann sind Sie nicht die Frau, für die ich Sie gehalten habe. Und zu Ihrer Information, sie glaubt jetzt, an einer schweren Krankheit zu leiden, nämlich chronischer Übellaunigkeit, die Sie nicht behandeln wollen. Und sie schreibt das den Kürzungen im Gesundheitswesen zu und der Tatsache, dass sie als alte Frau jetzt als entbehrlich betrachtet wird.«
    Sarah seufzte. »Sie war nicht die einzige. Sie platzen alle vor Schadenfreude, weil sie glauben, Joanna hätte es getan, und ich hab was dagegen, dass sie mich und meine Praxis dazu benützen, sie durch den Dreck zu ziehen.« Sie fuhr sich mit den Fingern durch ihr Haar. »So war das nämlich heute, Jane. Sie haben sich aufgeführt wie ein Haufen Kinder, die ihrem neuesten Opfer die Zunge rausstrecken, und wenn Jack sich nicht so dämlich benommen hätte, hätten sie nicht so viel zu klatschen gehabt.«
    »Glauben Sie das nur ja nicht«, entgegnete Jane trocken. »Wenn's nichts Konkretes zu klatschen gibt, denken sie sich eben was aus.«
    »Ha! Und Sie werfen mir Zynismus vor!«
    »Glauben Sie ja nicht, ich wäre über die Dummheit dieser Leute nicht genauso verärgert wie Sie. Natürlich bin ich das, aber ich erwarte eben nichts andres. Es hat sich nichts geändert, nur weil Mathilda tot ist, und ich muss sagen, ich finde es ziemlich stark von Ihnen, Mrs. Henderson zu beschuldigen, sie sähe immer nur das Schlechte in den Menschen, wenn die schlimmste Vertreterin dieses Typs Ihnen gerade ein kleines Vermögen hinterlassen hat. Mrs. Hendersons Blick auf die Menschen ist ausgesprochen wohlwollend im Vergleich mit Mathildas. Die litt wirklich an chronischer Übellaunigkeit.«
    »Na schön. Ich hab verstanden. Ich fahre auf dem Heimweg bei Mrs. Henderson vorbei.«
    »Ich hoffe, Sie entschuldigen sich auch gleich bei ihr. Vielleicht bin ich überempfindlich, aber sie wirkte wirklich sehr bekümmert, und es ist doch gar nicht Ihre Art, grausam zu sein, Sarah.«
    »Ich fühl mich aber grausam«, knurrte sie. »Nur interessehalber - reden Sie mit meinen männlichen Kollegen auch so?«
    »Nein.«
    »Ich verstehe.«
    Jane sagte aufgebracht: »Sie verstehen gar nichts. Ich mag Sie gern. Wenn Ihre Mutter hier wäre, würde sie Ihnen das gleiche sagen. Sie sollten sich von äußeren Ereignissen nicht verbiestern lassen, Sarah. Das können Sie den Mathildas dieser Welt überlassen.«
    Sarah versp ürte eine plötzliche warme Zuneigung zu dieser älteren Frau, deren Gesicht vor Ersch

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