Die Schanz
ich werde mich auch erkundigen, wer für die Reparatur Ihrer Maschine zuständig ist und wer die Kosten übernimmt.»
«Da hör ich doch schonn wieder wat von Reparatur!» Ackermann setzte sich aufrecht hin. «Du has’ doch ’n Bälleken, Paul. Als wennste dir nix Anständiges leisten könnts!»
Dellmann schlurfte zur Tür. «Ich dacht’ immer, wir könnten miteinander, Jupp.»
«Können wer auch, aber deshalb muss man doch die Wahrheit sagen dürfen, oder siehste dat anders?», brüllte Ackermann ihm hinterher.
Cox hatte sein Mittagessen vergessen. «Anscheinend kennst du den Mann schon länger, Josef.»
«Josef! Dat du dich immer so haben muss’. Jupp heiß ich. Un’ Paul Dellmann, ich mein’, wer kennt den nich’? Der is’ ’ne große Nummer auffe Schanz. Bei ärgen Hochwasser is’ dem sein Hof die Zentrale.» Toppes interessierter Blick kam ihm gerade recht. «Wenn die Fähre nich’ mehr fährt, is’ dat schon schlimm. Über ’n Deich sind dat immerhin zehn Kilometer Umweg, wenn de in de Stadt wills’. Un’ wenn dann au’ noch die Brücke in Griethausen zu is’, dann is’ die Schanz vonne Zivilisation abgeschnitten, oder soll ich dat lieber andersrum sagen? Jedenfalls werden se dann vom THW versorgt. Die düsen da mit ihre Boote rum. Un’ damit dat nich’ so ’n Aufwand is’, alle Höfe abklappern un’ so, haben die Schänzer ’ne Sammelstation, wo se de Milch vonne Kühe hinbringen, damit se zur Molkerei kommt, un’ wo se de frischen Lebensmittel abholen. Un’ bei Paul Dellmann läuft dat alles zusammen. Da wird de ganze Logistik gemacht, wie et so schön heißt, un’ da wird auch überlegt, wat als Nächstes kommt, Evakuierung un’ all dat. Wat bis heut’ allerdings noch nich’ vorgekommen is’. Die sind eigen, die Schänzer, un’ mit Hochwasser kennen die sich aus. Aparte Leut’, schon solang man denken kann. Die sind sich selbs’ genuch. Für mich wär’ dat da nix. Ich mein’, ich komm’ ja auch aussem Kaff, aber wenn ich nur 206 Schritt von einem bis zum andern End’ laufen könnt, würd’ ich bekloppt. Aber wat ich ei’ntlich sagen wollt’, wenn er mich brauchen könnt’, ich wär’ dabei. Die Chefin hab ich schon gefragt, die hätt’ im Prinzip nix dagegen.»
Das Telefon klingelte, und Cox nahm dankbar den Hörer ab, reichte ihn aber schnell an Toppe weiter. «Astrid! Sie hört sich ganz komisch an.»
Toppe zog sich der Magen zusammen. «Hallo, was gibt’s?»
«Kannst du Katharina abholen?» Ihre Stimme war sehr leise, sehr unsicher. «Und danach mich aus dem Krankenhaus?»
«Mein Gott, was ist los? Ist dir was passiert?»
«Ich hatte einen Unfall.» Sie schniefte. «Auf der Alten Bahn in Nütterden. Blitzeis, haben die Kollegen gesagt. Ich bin gegen einen Baum geknallt. Ich war in Nimwegen, weil ich Schlittschuhe …» Dann fing sie an zu weinen.
Toppe schluckte schwer. «Was ist mit dir?»
«Glück gehabt.» Er spürte, wie sie sich zusammenriss. «Ich hab ein Riesenglück gehabt, weil ich angeschnallt war. Meine Rippen sind noch ganz, darüber staunen hier alle, aber sonst hab ich eben eine blöde Gurtverletzung …»
«Ich bin sofort bei dir!»
«Ja, das wäre schön. Warte! Mir geht es wirklich gut. Ich hab nur was an der linken Schulter, ich brauch nicht mal Gips, nur eine Armschlinge für ein paar Wochen.» Sie schluchzte auf. «Ich will nach Hause.»
«Ich komme.»
Sieben
Toppe hatte Astrid gerade vorsichtig im Sessel vor dem Kamin untergebracht, als sie plötzlich anfing zu zittern, Tränen rannen ihr übers Gesicht, sie würgte.
«Warte, ich hol dir eine Schüssel.» Er lief in die Küche und war froh, dort auf Sofia zu treffen. «Kannst du dich um Katharina kümmern? Astrid klappt mir gerade zusammen, sie hatte einen Unfall.»
Sofia fragte nicht lange. Sie nahm das ängstlich weinende Mädchen einfach auf den Arm und trug es hinüber in ihr Atelier. Toppe holte die Matratze aus der Kammer, legte sie vor den Kamin, hielt Astrid, bis sie aufhörte zu zittern, küsste behutsam den dunklen Bluterguss, der sich quer über ihre Brust zog. Dann kochte er süßen Kakao, gab einen kräftigen Schuss Rum hinein und brachte sie dazu, den ganzen Becher leer zu trinken. Sie sprach kaum und starrte apathisch an die Decke.
Als sie endlich eingeschlafen war, fühlte er sich erschöpft und gleichzeitig hellwach. Leise stieg er zur Galerie hinauf und holte Papier und Stift. Dann setzte er sich vor das heruntergebrannte Feuer und fing an,
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