Die Schanz
keine Kinder, ich habe keine Sehnsucht nach trautem Familienleben. Mieke hat das immer gewusst. Sie hat es trotzdem darauf ankommen lassen, weil sie unbedingt ein Baby will. Das ist nun wahrhaftig nicht mein Problem.» Seine ganze Haltung drückte Trotz aus. «Komm mir jetzt nur nicht mit irgendeiner verquasten Moral, Helmut!»
«Willst du nicht wissen, ob du der Vater bist?», fragte Toppe nur.
Lowenstijn ließ die Schultern sacken. «Ich weiß es nicht.»
Mieke stellte drei Becher mit Teebeuteln und einen elektrischen Wasserkocher auf den Couchtisch. «Und wie geht es jetzt weiter?»
«Die Spurensicherung wird bald hier sein und sich gründlich umsehen, Fingerabdrücke nehmen und für eine DNA-Analyse Haarproben oder Ähnliches suchen.»
«Haben Sie die DNA von dem Toten aus dem Feld?»
«Ja.»
«Verstehe. Wann wird man es wissen?»
«In drei, vier Tagen, denke ich.» Toppe goss heißes Wasser in die Becher. «Wenn es Ihnen recht ist, würde ich mir gern einmal die Papiere auf dem Schreibtisch anschauen, die Kartons und die Bücher da drüben.»
Sie stand sofort auf. «Natürlich, vielleicht finden wir einen Hinweis.»
Lowenstijn deutete Toppes Miene richtig. «Wenn der Erkennungsdienst kommt, sind wir beide hier im Weg, Liebes. Dann kannst du mit zu mir kommen.»
Sie zuckte nur die Achseln. Toppe knipste die Schreibtischlampe an, ein altmodisches Modell aus Messing mit einem grünen Glasschirm.
Der Papierwust nahm fast die ganze Tischfläche ein, Rechnungen, Krankenunterlagen, vergilbte Schulzeugnisse, alte Briefe, manche davon noch in ihren Kuverts. Baupläne, Kaufverträge, Geburts- und Sterbeurkunden in wildem Durcheinander.
«Er hat also endlich die Kisten ausgepackt.» Mieke stellte ihm seinen Teebecher hin. «Als er die Wohnung in Amsterdam aufgelöst hat, hat er alle Papiere in Kartons gepackt und sie bis jetzt nicht mehr angeschaut.»
Toppe nickte nur. Wie immer, wenn er sich die Hinterlassenschaft eines Menschen vornahm, schwankte er zwischen Neugierde und einem Gefühl der Beklemmung. Er wäre gern allein gewesen.
Neben dem Schreibtisch standen zwei Schuhkartons. Als er den Deckel des ersten öffnete, stieg ihm Modergeruch in die Nase. Umschläge mit Negativen und Hunderte von Fotos. Wenn man nach der Kleidung der abgebildeten Personen ging, mussten sie in den dreißiger und vierziger Jahren aufgenommen worden sein, einige sepiafarbene waren noch älter.
«Wer sind diese Leute? Kennen Sie die?»
Mieke Bouma beugte sich über seine Schulter. «Die Bilder habe ich noch nie gesehen.» Dann stutzte sie und zog ein Foto heraus. «Das müssen Papas Eltern sein. Mein Opa hat im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren. Ich habe ihn nicht mehr gekannt, er war viel älter als meine Oma.» Sie fand das Bild eines schmalbrüstigen, gotischen Gebäudes. «In dem Haus ist mein Vater geboren, in Amsterdam, und meine Oma auch, glaube ich. Heute ist da ein Museum drin.»
Lowenstijn hatte den zweiten Schuhkarton geöffnet. «Die hier sind neuer … Ach, guck mal an, du hast mir gar nicht erzählt, dass dein alter Herr bei UNPROFOR war.»
«Und?», gab Mieke gereizt zurück. Dann schluchzte sie trocken und griff nach einer Farbvergrößerung. «Meine Mutter und ich auf Terschelling. Da war ich sieben oder acht.»
Toppe trank einen Schluck Tee, er schmeckte wie Galle.
In der oberen Schreibtischlade Briefpapier, Büroklammern, Stifte, eine Schere, Klebefilm, Gummiringe, in der zweiten Handzettel und Infobroschüren des NABU, ausgeschnittene Zeitungsartikel zu Protestaktionen der Bauern, handschriftliche Notizen. Die untere Schublade war abgeschlossen.
Als es klingelte, fuhr Mieke hoch.
Toppe fasste ihre Hand. «Das ist bestimmt die Spurensicherung.»
Peter Cox mochte Fakten.
Für ihn hatten Gefühle in einer Mordermittlung nichts zu suchen. Plötzliche Eingebungen waren ihm nicht geheuer, und er machte keinen Hehl daraus. «Und dieser Willem Bouma soll unser Toter sein? Ich bitte dich, so viel Zufall gibt es nicht!»
«Wir werden sehen», meinte Toppe ausweichend. Cox war blitzgescheit, aber er funkte auf einer anderen Wellenlänge, und der Draht zwischen ihnen beiden war immer dünn geblieben.
«Van Gemmern hat jedenfalls eine ganze Reihe brauchbarer Proben nach Düsseldorf geschickt. Spätestens am Donnerstag dürften wir die Ergebnisse der DNA-Analyse auf dem Tisch haben.» Er fröstelte. «Es ist schweinekalt hier drin!»
Obwohl die Heizung im Präsidium auf vollen Touren lief und
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