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Die Schanz

Die Schanz

Titel: Die Schanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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meinte sie unbestimmt. «Und Sie sind wegen Willem Bouma hier, nicht wahr? Die Wirtin hat es mir erzählt. Was Neuigkeiten angeht, bin ich auf Frau Lentes angewiesen, ich habe keine Lokalzeitung.»
    «Kannten Sie Bouma?», fragte Toppe.
    Sie lächelte bedauernd. «Nicht besonders gut, fürchte ich, aber wir haben uns ein paar Mal unterhalten – von Außenseiterin zu Außenseiter gewissermaßen. Man fasst hier nicht so leicht Fuß. Was ist eigentlich genau passiert?»
    Er erzählte es ihr, und sie wurde zusehends blasser. «In den Maishäcksler, o Gott!»
    Toppe stellte auch ihr die Fragen, mit denen er seit Tagen unterwegs war, aber es kam nichts dabei heraus, außer dass er sich Ackermanns tiefe Missbilligung einhandelte: Die Frau war ein Star, die behandelte man nicht wie das gemeine Volk!
     
    Als Lowenstijn hörte, dass er Astrid allein antreffen würde, war er sofort angerauscht. Er hatte ihr zur Begrüßung einen feuchten Kuss auf den Hals gedrückt und sich eine ihrer schwarzen Haarsträhnen um den Finger gewickelt. «Schade, dass du es wieder wachsen lässt. Ich fand deinen zarten Nacken so sexy.»
    «Hände weg!»
    Er hatte nur gelacht – «Ich weiß schon, du bist ein treues Weib» – und sich dann ganz auf seine Aufgabe konzentriert.
    Langsam blätterte er in den Prozessakten. «Wenn ich gewusst hätte, dass Bouma in Bosnien war, hätte ich nie für den gearbeitet. Was das Dutchbat da abgezogen hat, war nicht koscher, das pfeifen die Spatzen von den Dächern. Lass uns mal sehen, ob wir Namen von Journalisten finden, die dabei waren. Vielleicht komme ich auch an Soldaten ran, die unter Bouma gedient haben. Ich brauche nur irgendeinen, über den ich den Einstieg finde.»
    «Du bist ein Schatz. Wenn ich wieder fit bin, koche ich dir ein ganz besonderes Menü, mindestens drei Gänge.»
    Lowenstijn kräuselte die Nase. «Wenn es schon unbedingt Nahrung sein muss, dann aber bitte bei einem Tête-à-tête in einem schummerigen Séparée.»
    «Ts», tadelte Astrid. «Und so was von einem werdenden Vater!»
    «Ach so, Helmut hat geplaudert.» Er schob die Akten weg. «Aber ich muss dich enttäuschen: Nichts Genaues weiß man nicht.»
    Astrid rückte die Armschlinge zurecht. «Hab ich schon gehört, aber, ich sag’s nicht gern, du wirkst trotzdem ein bisschen angeschlagen.»
    Lowenstijn betrachtete seine Fingernägel. «Meinst du?» Er straffte die Schultern. «Lass uns anfangen.»
     
    «Dat nenn ich ’n Prachtweib! ‹Rose› is’ do’ auch viel schöner wie ‹Freya›, findeste nich’?» Ackermann klopfte sich zufrieden auf die Brusttasche, in der drei Autogrammkarten steckten, trat auf die Straße hinaus – und geriet hoffnungslos ins Rutschen. Im letzten Moment bekam er Toppes Arm zu fassen, der sich seinerseits an einen Fenstersims krallen musste, um nicht hinzuschlagen. Die Nässe, die seit gestern in der Luft lag, hatte sich auf dem tief gefrorenen Boden in blankes Eis verwandelt, Zäune, Schilder, Briefkästen, Wände und Mauern, die einzelnen Zweige der Bäume, alles war wie mit Glas ummantelt – eine fremde Märchenwelt.
    Sie klammerten sich an Hauswände und tasteten sich Schritt für Schritt weiter. In der Hauptgasse kamen sie besser voran, hier hatten die Anwohner schon Salz gestreut, aber das letzte Stück vom Fluttor bis zum kleinen Parkplatz, auf dem Ackermanns Auto stand, mussten sie auf allen vieren zurücklegen. Im Haus neben der Kirche applaudierte jemand.
    «Dat können wer getrost vergessen. Auf dem Deich kommen wer keine drei Meter weit, dann hängen wer inne Wiese.»
    «Und jetzt?» Toppe zog die Handschuhe aus und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    «Abwarten! Die helfen sich hier meist selber. Wenn se auffe Streuer vonne Stadt warten würden, ständen se schön auffem Schlauch.»
    Toppe kurbelte das Fenster herunter und zündete sich eine Zigarette an. «Wer ist eigentlich dieser Voss?»
    «Voss? Gott, wat soll ich sagen?» Ackermann überlegte. «Ir’ndswie ’n armes Schwein, vielleich’ au’ nich’, man weiß et nich’ so genau. Der Alte von dem säuft, war ma’ Maurer, is’ aber kaputtgeschrieben. Un’ die Mutter, ich weiß et nich’, scharf auf dat Kind war die wohl nie. Hat den Kleinen bei ihre Mutter in Bimmen gelassen. Die is’ dann aber gestorben, wie Voss inne Schule kam, da musste se ihn wohl oder übel wieder nehmen. Ich hab gehört, der hätt ma ’ne Schreinerlehre angefangen, aber da is’ er wohl geflogen, weil er ir’ndwie Mist gebaut hat.

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