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Die Schanz

Die Schanz

Titel: Die Schanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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ma’, haste den Bouma gut gekannt?»
    Voss hob kaum merklich die Schultern. «Nö.»
    «Aber gekannt hast en.»
    «Herr Voss.» Toppe versuchte, Augenkontakt herzustellen. «Willem Bouma ist erschossen worden, vermutlich am 19. Oktober, das war ein Samstag.»
    Der Mann senkte das Kinn. Als Cox jetzt seine Fellmütze vom Kopf zog und sie zusammenrollte, ließ er seine Zigarette fallen und griff nach der Wasserwaage.
    «Herr Voss», setzte Toppe noch einmal an. «Wir treten im Augenblick ein wenig auf der Stelle. Vielleicht können Sie uns helfen. Erinnern Sie sich, wann Sie Bouma zum letzten Mal gesehen haben?»
    Voss beäugte ihn. «Den hab ich andauernd gesehen.»
    «Ah, genau», fiel Ackermann ein, «bis’ ja immer unterwegs, sportskanonenmäßig, oder hab ich dat falsch?»
    Klaus Voss stellte sein Werkzeug wieder ab und zündete sich eine neue Zigarette an. «Ich reiß jeden Tag auf meinem Fahrrad so meine zwanzig, dreißig Kilometer runter, morgens.»
    «Immer umme Schanz rum?»
    «Meist, manchmal muss ich auch in die Stadt.» Wieder suchte er Toppes Blick.
    Der verstand. «Und dabei haben Sie Bouma öfter getroffen?»
    «Getroffen nicht, aber gesehen. Ohne Ende, jeden Morgen ist der über die Felder …»
    «Ja?» Toppe lächelte aufmunternd. «Sie helfen mir wirklich sehr. Wissen Sie noch, wann Sie Willem Bouma zuletzt gesehen haben?»
    «Freitagmorgens … vor dem Samstag, den Sie gesagt haben.»
    «War Bouma allein?»
    «Ja.»
    «Und wo haben Sie ihn gesehen?»
    Voss druckste. «Die letzte Zeit ist der ohne Ende bei Unkrig rumgelaufen … auf dem Feldweg, hinter der Scheune, und was weiß ich noch alles …»
    «Was weiß ich noch alles?», fragte Cox. «Was meinen Sie damit?»
    Der Mann packte sein Werkzeug und ging. «Sonst weiß ich nichts!»
    «Wiedersehen», drehte er sich noch einmal zu Toppe um.
    «Stopp, stopp ma’!» Ackermann hatte rote Ohrläppchen. «Du bis’ do’ auffem Weg zu diese Kinderbuchtante, oder? Sag ma’, könnt ich da nich’ ebkes mit, dat die mir ’n Autogramm gibt für meine Mädkes – die sind da ganz heiß drauf.»
    «O Gott!» Cox stülpte sich die Mütze wieder auf. «Tut mir Leid, aber irgendwo hört’s auf. Ich fahr ins Büro, Helmut. Wir sehen uns später.» Dann bückte er sich und wischte mit dem Ärmelaufschlag über seine Schuhspitze. «Ich kapiere nicht, wie du das aushältst», brummte er.
     
    Ein Ende der Jahrhundertkälte ist nicht in Sicht. Zwar stiegen die Temperaturen am Niederrhein heute für kurze Zeit auf minus vierzehn Grad, dennoch meldet die Wasserbehörde Emmerich zum ersten Mal seit über vierzig Jahren eine geschlossene Eisdecke auf dem Rhein. In weiten Teilen der Region muss mit Blitzeis gerechnet werden.
    Astrid schaltete das Radio aus und rieb sich die verletzte Schulter, sie war völlig verspannt.
    Ihre Eltern waren da gewesen und hatten Katharina zu einem Tagesausflug abgeholt, leider nicht ohne ein paar Bemerkungen fallen zu lassen. «Nett, wenn man doch noch gebraucht wird» und «Schön, dass du dich beruflich so engagierst» waren noch die freundlichsten gewesen.
    Sie goss sich ein Glas Apfelsaft ein und nahm es mit auf die Galerie. Gestern Abend hatte sie in einem von Arends Büchern über den Bosnienkrieg den Bericht eines Journalisten aus Srebrenica gefunden. Die Serben hatten eine Liste mit den Namen von UN-Mitarbeitern bekommen, den Männern damals vor Ort, die vom Massaker verschont bleiben sollten. Diese Liste sei vorher von einem niederländischen Offizier geprüft und zurechtgestutzt worden. Astrid las den Bericht noch einmal, blätterte unzufrieden weiter – es gab keine Namen.
    Was bedeutete «zurechtgestutzt»? Sie griff zum Telefon.
     
    Auch Peter Cox hatte sich bei der Morgentoilette seine Gedanken über Srebrenica gemacht. Bis heute hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass die USA, vielleicht sogar die UN, damals gemeinsame Sache mit den Serben gemacht hatten, dass Srebrenica gewissermaßen geopfert worden war, um Sarajevo zu schützen. Hatte Bouma in dem Komplott eine Rolle gespielt? Durchaus möglich. Oder war vielleicht einer der Verantwortlichen durch den NIOD-Rapport, der ja erst in diesem Jahr veröffentlicht worden war, darauf gestoßen, dass Bouma zu viel wusste, und hatte ihn aus dem Weg geräumt?
    Ein Soldat, der mit einer Sportwaffe tötet? Und ausgerechnet auf Schenkenschanz, wo jeder Furz zu einem Donnerschlag wurde?
    Als Cox jetzt ins sonntäglich ruhige Präsidium kam, hatte er Bosnien vergessen. Er

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