Die scharlachrote Spionin
Osborne, dass die Entscheidung für den Ausritt vielleicht doch nicht so klug gewesen war. Die geschmeidigen Muskeln des Hengstes und sein weiches Fell erinnerten ihn auf unangenehme Weise daran, dass sein Missbehagen ebenso körperlich wie geistig war.
Ich muss mir eine neue Geliebte suchen, und zwar schnell! Eine Frau, die so heißblütig und sexy war, dass sie sowohl seinen Geist als auch seinen Körper dazu brachte, keinen Gedanken mehr an Lady Sofia zu verschwenden.
Osborne trieb den Hengst in einen leichten Galopp und entspannte sich langsam im Rhythmus des Ritts. Die Frage war nur, wer unter den verfügbaren Ladys seinen Vorlieben gerecht werden könnte. Denn keine seiner alten Flammen konnte der Contessa das Wasser reichen. Eine Neue musste her, jemand, mit dem er nicht gerechnet hatte ...
Plötzlich entdeckte er, wie sich weiter vorn im dämmrigen Nebel etwas bewegte. Sekundenbruchteile später tauchte ein Hengst auf, der in halsbrecherischem Tempo zwischen den Bäumen galoppierte. Die schlanke Gestalt, die sich tief gebückt am Sattel festklammerte, war mitten zwischen den fliegenden Hufen und den aufstiebenden Erdklumpen kaum zu erkennen.
»Zum Teufel noch mal!« Entsetzt bemerkte Osborne, dass sich ein Stiefel aus dem Steigbügel löste und der Reiter zu Boden stürzte. Aber wie durch ein Wunder berührten beide Füße den Boden, und dem Glückspilz gelang es, wieder aufzuspringen und den nassen Sattelknauf zu greifen.
Trotz seiner akrobatischen Einlage hatte der junge Bursche zweifellos die Kontrolle über das Pferd verloren und lief Gefahr, zu Tode getrampelt zu werden. Osborne trieb sein Pferd vorwärts und duckte sich unter den tiefhängenden Zweigen durch, während sie beschleunigten und zusammen über den Reitweg rasten.
Osbornes kräftiges Tier donnerte durch eine Lücke zwischen den Bäumen und gewann genügend Boden, um zu dem flüchtigen Hengst aufzuschließen. Mit einer Hand schnappte er sich die Zügel, schaute genauer hin - eine gefährliche Bewegung, denn der kleinste Fehltritt konnte bedeuten, dass sie sich beide den Hals brachen.
Nur noch ein oder zwei Zentimeter ... Gebückt wagte Osborne einen tiefen Satz nach vorn, umschlang die Hüfte des Reiters und riss ihn in Sicherheit. Aber anstatt einen tränenüberströmten jungen Kerl in den Armen zu halten, dessen Gliedmaßen vor Erleichterung schlaff herunterhingen, fand er sich in einem Handgemenge mit angespannten Muskeln wieder.
»Um Himmels willen! So hören Sie doch endlich auf, wie ein Aal zu zappeln!«
Der Bursche besaß die Frechheit, mit einem Fluch zu antworten. Wieder traf er das Pferd mit einem Tritt in die Flanke. Der Braune schnaubte und brach seitlich aus, sodass sie beide aus dem Sattel stürzten.
»Verdammter Teufel!«, brummte Osborne und versuchte, sich die scharfen Ellbogen des undankbaren Kerls zu schnappen.
In der Rauferei lockerte sich die Mütze des Burschen, und ein Haufen rabenschwarzer Locken kam zum Vorschein.
»L ... Lady Sofia?« Osborne zwinkerte, fragte sich, ob er mittlerweile vollkommen den Verstand verloren hatte. Und doch, niemand anders als die Contessa lag in seinen Armen, gekleidet wie ein Bursche in Lederhosen und eine Lederjacke aus Maulwurfsfell.
»Ja, verdammt! Und jetzt lassen Sie mich los«, verlangte sie.
Als er nervös innehielt, gelang es ihr, sich aus seinem Griff zu befreien und sanft in den Torf zu rollen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sie sich um und stolperte davon, um nach den Zügeln ihres Pferdes zu greifen.
Osborne ließ sich ebenfalls aus dem Sattel gleiten und eilte ihr nach. »Ist alles in Ordnung, Mylady?«
»Ja, es geht mir gut«, schnappte sie unwirsch.
»Aber ...«
»Aber was?« Sofia wirbelte herum. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihre Wangen gerötet. Wild umtanzten ihre Locken ihr errötetes Gesicht.
Osborne brachte es nicht fertig, den Blick von ihr zu lösen - und von der engen Lederhose.
»Teufel noch mal, Sie reiten ja wie ein Husar!«, sagte er bewundernd.
»Eine Tatsache, die Sie hoffentlich für sich behalten können.« Osborne bemerkte, dass sich in ihrer Miene nicht länger nur Wut, sondern auch Angst und Bestürzung spiegelten. »Prego, Lord Osborne!«, fügte sie hinzu, nachdem sie tief durchgeatmet hatte, »ich bitte Sie inständig, mit niemandem darüber zu sprechen. Mir ist durchaus bewusst, dass die ungeschriebenen Gesetze, denen eine Lady hier in England sich zu fügen hat, überaus streng sind. Es gibt viele Leute, die
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