Die scharlachrote Spionin
Gesellschaft einzulassen«, bemerkte er ungelenk. »Ich habe versucht, sie zu warnen. Aber es scheint, als würden meine Ansichten sie nicht kümmern.«
»Ach, wirklich?«
»Um es rundheraus zu sagen: Die Lady schätzt mich offenbar nicht besonders. Nun, wie auch immer, ich hoffe, dass Sie Ihren Einfluss auf sie geltend machen können.«
»Lady Sofia ist bereits erwachsen«, entgegnete der Marquis trocken. »Sie ist frei, sich ihre Gesellschaft selbst auszusuchen, unabhängig davon, wie Sie oder ich darüber denken.« Er nahm einen Stapel Papiere in die Hand und begann wieder zu lesen. »Ich weiß Ihren Bericht sehr zu schätzen, aber ich mache mir keine Sorgen um die Lady. Ich setze großes Vertrauen in ihr Urteil.«
Osborne verzog das Gesicht. »Selbst wenn sie einen Höllenhund wie Adam De Winton ermutigt, ihr um die Röcke zu streichen?«
Bedächtig blätterte Lynsley durch seine Akte. »De Wintons Stammbaum verschafft ihm Zugang zu den höchsten Kreisen der Gesellschaft. Und wenn die führende Gastgeberin in London gegen seine Anwesenheit nichts einzuwenden hat, dann sehe ich keinen Grund, einen Streit vom Zaun zu brechen.«
Die abweisende Art des Marquis ging Osborne langsam auf die Nerven. »Es ist nicht die Ahnentafel, sondern seine Geldbörse, die Anlass zur Sorge gibt. Überall in den Spielhöllen der Stadt ist man darüber informiert, dass seine finanzielle Lage bestenfalls als prekär zu bezeichnen ist.«
»Ein Mitgiftjäger? Seien Sie versichert, dass Lady Sofia sich mit solcher Brut auskennt. Es ist unwahrscheinlich, dass sie sich durch falsche Schmeicheleien einwickeln lässt.«
»Vielleicht wären Sie eine Spur mehr besorgt, wenn ich Ihnen über ihre morgendlichen Gewohnheiten Bericht erstatte«, fügte Osborne hinzu.
Endlich schaute Lynsley auf.
»Zufällig habe ich sie im Morgengrauen allein im Park beobachtet«, erklärte er grimmig. »Sie saß im Sattel eines großen schwarzen Hengstes und ist in halsbrecherischem Tempo über den Reitweg galoppiert. Wussten Sie, dass sie reiten kann wie der Wind?«
»Angesichts der Tatsache, dass ich mich um ihren Reitlehrer gekümmert habe, bin ich mir über ihre Fähigkeiten im Sattel durchaus bewusst«, entgegnete der Marquis.
Osborne schwieg einen Moment. Im Grunde genommen hätte er es dabei bewenden lassen müssen; aber die Sturheit siegte über die Vernunft. »Wenn sie die Zügel nicht ein wenig fester in die Hand nimmt, könnte es durchaus sein, dass ihr guter Ruf bald zertrümmert ist. Klatsch und Tratsch lassen nicht lange auf sich warten, wenn eine Lady die Grenzen der Schicklichkeit überschreitet.«
»Eine Witwe genießt allerdings größere Freiheiten als eine jungfräuliche Lady, wie Ihnen zweifellos bekannt ist.« Der Marquis griff nach einem Stift. »Betrachten Sie Ihre Pflicht als erledigt, Osborne. Sie haben ihr die richtigen Türen geöffnet, und um mehr habe ich Sie nicht gebeten. Jetzt können Sie guten Gewissens beiseitetreten. Wenn Lady Sofia wünscht, sich ab sofort auf eigene Faust durch die Salons zu bewegen, dann müssen wir ihren Wunsch respektieren.«
»Verflucht noch mal!« Die Faust, die auf die Schreibtischunterlage donnerte, ließ beinahe das Tintenfass umstürzen. »Die Sache ist verdammt merkwürdig, Lynsley!«
»Was soll das heißen?«
»Nun ...« Verwirrt stellte Osborne fest, dass er keine Ahnung hatte, wie er sein Unbehagen artikulieren sollte. Es war wie bei einem Morgennebel - verschwommene Wirbel, gespenstischer Dampf. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, ob die Sache irgendetwas mit Ihren ... Pflichten für die Regierung zu tun hat.«
Lynsley verzog den Mund. »Ach, und jetzt bilden Sie sich ein, die Lady sei eine Geheimagentin aus dem Königreich Neapel? Oder vielleicht eine Attentäterin, geschickt von einem venezianischen Prinzen?«
Sobald man sie laut aussprach, klangen solche Verdächtigungen nur noch absurd.
»Hat eine Ihrer weiblichen Bekanntschaften Ihnen vielleicht das Buch The Duchess of the Dark Dagger geschenkt?«, fuhr Lynsley fort und klang ein wenig amüsiert. »Die Herzogin der dunklen Dolche. Soll recht unterhaltsam sein, wie ich gehört habe. Sogar noch besser als Der Fluch des samtenen Handschuhs.«
Osborne fluchte in sich hinein. »Das Leben schreibt manchmal die merkwürdigsten Geschichten«, gab er gekränkt zurück. »Denken Sie nur an die jüngsten Ereignisse auf Marquand Castle! Am Ende gab es zwei tote Adlige, und mein Freund Kirtland
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