Die scharlachrote Spionin
kehrt mit einer geheimnisvollen Braut zurück. Was zum Teufel haben Sie dazu zu sagen?«
»Mir ist mal zu Ohren gekommen, dass Kunstversteigerungen ein halsabschneiderisches Geschäft sein können«, erwiderte der Marquis mit regloser Miene. »Und was Lord Kirtlands Liebesleben angeht, nun, da müssen Sie den Earl schon selbst fragen. Ich gehörte nicht zu den Gästen, die zu den Hochzeitsfeierlichkeiten geladen waren.«
»Und doch haben Sie gegen ihn ermittelt.«
»Meine Pflicht verlangt, dass ich gegen viele Menschen ermittle. Meistens zeigt sich, genau wie beim Earl, dass sie über jeden Verdacht verräterischer Umtriebe erhaben sind.« Lynsley neigte den Kopf. »Wie dem auch sei, mir entgeht die Verbindung zwischen Kirtland und der Contessa ... wenn man die Tatsache außer Acht lässt, dass der Earl und seine Braut eine Hochzeitsreise nach Italien unternommen haben.«
So betrachtet hörte es sich an, wie Osborne eingestehen musste, als hätte er gerade den Entwurf zu einem Schauerroman geschrieben. Die Kabale der Killer-Contessa. Angesichts seiner blutrünstigen Einbildungskraft hatte er es vielleicht sogar verdient, ihr erstes Opfer zu werden.
»Vergessen Sie es einfach«, murmelte er, denn es gab keinen Grund, die Unterhaltung noch weiter auszudehnen. Selbst wenn hinter Lady Sofias Anwesenheit in London ein dunkles Geheimnis steckte, war der Marquis viel zu klug, um es durch einen kleinen Fehltritt preiszugeben. »Ich möchte Sie nicht länger bei der Arbeit stören.«
»Osborne.«
Er drehte sich um, erwartete eine letzte spöttische Bemerkung.
Aber auf Lynsleys Miene spiegelte sich tödlicher Ernst. »Nochmals vielen Dank für Ihre Warnung. Gestatten Sie mir, dass ich den Gefallen erwidere. Sie würden einen großen Fehler begehen, wenn Sie sich zu sehr auf Lady Sofia einließen. Sie ist ...«
»Gefährlich?«, platzte Osborne unwillkürlich heraus.
»Sozusagen. Obwohl ich es eigentlich ›vielschichtig‹ nennen wollte.«
»Sehr freundlich, dass Sie es jetzt erwähnen«, entgegnete Osborne mit sarkastischem Unterton. »Ich darf mich fragen, warum Sie mir die Ehre zuteil werden ließen, die Aufgabe ihrer Einführung in die Gesellschaft zu übernehmen?«
»Nur aus dem einzigen Grund, dass weithin in den Salons bekannt ist, wie streng Sie verwirrenden Gefühlen aus dem Weg gehen. Sie verstricken sich niemals in eine Liebesgeschichte.« Der Marquis legte den Stift ab und faltete die Hände. »Man sagt, dass Sie mit Ihren Wohltaten recht freigebig sind. Aber Ihr Herz gehört Ihnen ganz allein.«
Osborne fiel keine Antwort ein.
»Eine kluge Entscheidung!«, schloss Lynsley. »Besonders in diesem Fall.«
»Sie befürchten also, dass ich mein Herz an die Contessa verlieren könnte?« Osborne griff nach dem Messingknauf der Tür. »Ha! Wenn ich dumm genug wäre, mich zu verlieben, dann ganz bestimmt nicht in einen Feuer speienden Drachen mit einer Vorliebe für ordinäres Rot.«
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8. Kapitel
S ofia war froh, dass ihre Pflicht sie von der Begegnung am frühen Morgen ablenkte, setzte sich an den Frisiertisch und öffnete eine Mappe mit Schriftstücken für Lynsley. Keine Fehltritte mehr!, schimpfte sie mit sich selbst. Viel zu sorglos hatte sie angenommen, dass keiner der Gentlemen aus den Salons schon zum Morgengrauen auf den Beinen sein würde.
Stirnrunzelnd fragte sie sich, was Osborne zu so früher Stunde im Park zu tun gehabt hatte. War er von einem mitternächtlichen Rendezvous nach Hause zurückgekehrt? Zu den Hintergrundinformationen über ihn gehörte auch eine recht lange Liste seiner Affären. Kein Wunder. Wenn es ums Flirten ging, war er unverbesserlich; er war attraktiv, witzig und einnehmend genug, um einen Feuer speienden Drachen zu besänftigen.
Und was seine Küsse betraf ... Nun, da hatte er sicher genügend Übung ...
Sofia presste die Lippen aufeinander und blätterte rasch durch die Akte, bis sie bei einem anderen Abschnitt angekommen war. Genug von Deverill Osborne! Sie musste sich auf die nächste Herausforderung konzentrieren.
Und ehrlich gesagt, diese Herausforderung bot eine willkommene Abwechslung zu den überfüllten Ballsälen und aufdringlichen Verehrern. Sie war vorgesehen, an einem nachmittäglichen Vortrag der Gesellschaft für Römisches Altertum teilzunehmen. Die Versammlung würde ihr die Gelegenheit verschaffen, dem Duke of Sterling zu begegnen.
Lynsley hatte ihr klargemacht, dass es
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