Die scharlachrote Spionin
Sofia das Gefühl, dass er zögerte, der Höflichkeit zu genügen.
»Sind Sie ein begeisterter Sammler, Mr. Roxbury?«, fragte sie, nachdem er seine überschwänglichen Komplimente losgeworden war.
»Ich kaufe nur gelegentlich ein«, erwiderte er. »Mehr kann ein Gentleman in meiner bescheidenen Stellung sich bedauerlicherweise nicht leisten.«
Marco rückte sein Augenglas zurecht und unterzog den Mann einer eingehenden Musterung. Durch die Vergrößerung erschien sein Auge so groß wie ein Kricketball. »Wenn ich mir die Frage erlauben darf, Sir - um welche Stellung handelt es sich?«
Kein Wunder, dass Osborne in Versuchung geraten war, Marco kräftig in den Hintern zu treten, dachte Sofia. Der Kerl kann wirklich abscheulich sein. Und das, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ich bin im Kriegsministerium angestellt. In Whitehall.«
Kaum war der Name Whitehall gefallen, war Sofias Verstand hellwach. »Wie beeindruckend, Sir, angesichts der Bedeutung Englands, die Welt vor Napoleons Schlachterei zu schützen.«
Roxburys Brust schien sofort anzuschwellen. Aha! Der Mann besitzt offenbar ein übersteigertes Selbstwertgefühl, dachte Sofia. Er konnte allerdings die Tatsache nicht ganz verbergen, dass er aus dem Leim ging. Trotz des fliehenden Kinns und des geröteten Teints war sein Gesicht durchaus noch attraktiv; aber noch ein paar Jahre ausschweifendes Essen und Trinken, und er würde so fett sein wie der Prinzregent.
Offenbar entging ihm Sofias kritischer Blick, denn er putzte sich heraus wie ein Pfau. »Als stellvertretender Minister für Militärtransporte spiele ich eine recht bedeutungsvolle Rolle, wenn es darum geht, unsere Armeen noch in den weit entfernten Winkeln dieser Erde mit Ausrüstung und Nachschub zu versehen.«
»Bravo!« Marco bemühte sich, bei der Erwähnung des Krieges ausgesprochen gelangweilt dreinzublicken.
»Stimmt es, dass Lord Lynsley Ihr Gönner ist, solange Sie sich hier in London aufhalten, Mylady?«, fragte der Minister, während Sofias Freund fortspazierte, um eine Ausstellung persischer Dolche aus der Zeit des Ersten Kreuzzuges zu betrachten.
»Er war mit meinem Vater bekannt. Vor langer Zeit.« Sofia hielt es für klug, sich jede Andeutung einer persönlichen Bekanntschaft mit dem Marquis zu verkneifen. »Ja, es stimmt, er war so freundlich, meine Einführung in die Salons zu arrangieren. Aber seit meiner Ankunft in der Stadt habe ich ihn nur ein paar Mal getroffen. Seine Arbeit erlaubt es ihm nicht oft, sich Abendunterhaltungen hinzugeben ... Das behauptet er jedenfalls.« Als sie weitersprach, hatte sie die Stimme zu einem verschwörerischen Wispern gesenkt. »Um die Wahrheit zu sagen, ich finde ihn ein bisschen ... fade.«
»So fade wie Abwaschwasser.« Roxbury lachte laut. »Seine Lordschaft ist stets überaus nüchtern und korrekt. Und ein Kleinkrämer, wie die Welt ihn selten gesehen hat. Glücklicherweise hat meine Abteilung nur sehr wenig mit ihm zu tun.«
»Ja, da können Sie sich wirklich glücklich schätzen«, erwiderte Sofia.
»In der Tat, in der Tat.« Als eine Damaszener Uhr die volle Stunde schlug, verflüchtigte sich Roxburys Lächeln. »Bedauerlich verlangt die Pflicht, dass ich ins Ministerium zurückkehre. Ganz gleich, ob mir Ihre Gesellschaft weit faszinierender erscheint als ein Tisch voller Dokumente.«
»Wir wollen Sie keinesfalls von der Arbeit ablenken.« Sofia beehrte ihn mit flatternden Wimpern, als er an ihr vorbeiging. »Vielleicht sehen wir uns schon bald wieder.«
»Oh, ich werde dafür sorgen, dass Andover unverzüglich eine Geselligkeit arrangiert.«
Der Ladenbesitzer begleitete Roxbury zur Eingangstür, wo sie noch ein paar vertrauliche Worte wechselten, bevor der Minister einer vorbeifahrenden Droschke nacheilte.
»Bitte verzeihen Sie«, meinte Andover, als er wieder zu ihnen kam.
»Es ist an uns, um Verzeihung zu bitten, weil wir uns unangemeldet aufdrängen«, entgegnete Sofia.
»Selbstverständlich sind Sie jederzeit willkommen!« Als er sah, dass Marco eine Porzellantasse aus der Ming-Dynastie ins Licht hielt, fügte er hinzu: »Darf ich Ihnen irgendetwas Bestimmtes zeigen, Mylord?«
»Nein, ich schaue mich nur um.« Marco ließ das Porzellan um seine Fingerspitze wirbeln und stellte es anschließend zurück.
»Das ist faszinierend!« Es war Zufall, dass sie sich eine byzantinische Brosche aussuchte. »Was für eine filigrane Arbeit, und die Steine scheinen wirklich von außerordentlicher Qualität zu sein.« Nachdem sie den
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