Die scharlachrote Spionin
das mit Geld zu kaufen war, während sie nichts besaß außer ihrem klugen Kopf, ihren Waffen und ihrem Willen, die Mission erfolgreich zu beenden.
Und doch würde es ihr gelingen.
Sofia war sich bewusst, dass die privaten Grübeleien einer pragmatischen Einstellung weichen mussten, und legte ihre Hand in seinen gebeugten Arm. »Sollen wir uns vielleicht in einen weniger überfüllten Winkel des Zimmers zurückziehen?« Ihr brannten ein paar Fragen über Lord Roberts letzte Tage unter den Nägeln. Und so ungern sie ihn auch auf seinen Großsohn ansprach - möglicherweise konnte nur der Duke ihr die Antworten geben, auf die sie hoffte.
Auf seinem Gesicht zeigte sich ein freundliches Lächeln. »Mit Vergnügen, Contessa!«
Sofia unterdrückte einen Seufzer; ihr war klar, dass es alles andere als ein Vergnügen sein würde. »Ich habe mich gefragt, ob Sie mir etwas über einen Antiquitätenladen in der Bond Street erzählen können, der einem gewissen Mr. Andover gehört.« Im Tagebuch des jungen Mannes hatte sich zwar kein Eintrag dazu gefunden, aber sie hatte beschlossen, einfach ins Blaue hinein zu fragen. »War das vielleicht ein Ort, den Ihr Großsohn häufiger aufgesucht hat?«
Er musterte sie eindringlich. »Warum fragen Sie?«
Mit dieser Reaktion hatte Sofia gerechnet. Aus dem Munde einer durch und durch fremden Person musste das Interesse an den persönlichen Vorlieben des jungen Mannes bestenfalls merkwürdig erscheinen. Ihre Antwort musste also bestechend logisch sein, irgendwelche Worte enthalten, die die Saite des Verlangens nach Gerechtigkeit in seinem Innern zum Klingen brachte, ohne dass sie selbst sich zu sehr verriet.
Wahrheit und Lügen. Osborne schien überzeugt, dass sie sowohl das eine wie auch das andere beherrschte.
Sofia hoffte, dass er sich nicht irrte.
Sie zog den Duke tiefer in einen Winkel hinein, in dem noch mehr Artefakte aus römischer Zeit ausgestellt waren, und erlaubte sich einen leisen Seufzer. »Ich hatte einen Freund in Venedig, einen sehr guten Freund ... Er ist ebenfalls gestorben, während er sich in Gesellschaft mehrerer Engländer bewegte ... Zu viele Drogen ...« Sie zögerte, bevor sie die Stimme zu einem Wispern senkte. »Ich weiß, dass es melodramatisch klingt, aber ich habe einigen Grund, an ein Verbrechen zu denken.«
Der Duke war blass geworden. »Weiß Lord Lynsley über Ihren Verdacht Bescheid?«
»Ja«, gestand sie ein. »Allerdings.«
Er griff nach einem ledergebundenen Buch und tat so, als würde er die aufgeblätterten Seiten studieren. »Meinen Sie nicht, Sie sollten lieber ihm die Angelegenheit überlassen?«
Darauf war Sofia gefasst. »Seine Regierungsgeschäfte sind zurzeit äußerst dringlich. Er hat kaum Zeit, irgendwelchen Spuren nachzugehen. Außerdem kann er keine offiziellen Ermittlungen einleiten, bevor nicht hieb- und stichfeste Beweise für ein Verbrechen vorliegen.«
»Ihre Tapferkeit ist äußerst lobenswert, Contessa. Aber können Sie sich vorstellen, welcher Gefahr Sie sich aussetzen, wenn Sie durch die Salons spazieren und derlei Fragen stellen? Eine Lady sollte solche Risiken meiden.«
»Ich darf Ihnen versichern, Sir, dass ich nicht die Absicht habe, irgendwelche Risiken einzugehen. Ich möchte nur über ein paar Tatsachen Bescheid wissen, bevor ich mich wieder an den Marquis wende.«
Sterling blickte sie ein paar Sekunden lang nachdenklich an, bevor er fragte: »Was ist mit Lord Osborne? Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?«
Das war eine Frage, mit der sie nicht gerechnet hatte. »N ... nein.« Sofia atmete tief durch. »Warum sollte ich?«
»Ich bin mir bewusst, dass viele Menschen überzeugt sind, er sei nichts als ein charmanter Dummkopf. Aber andere, denen ich mehr vertraue, halten ihn für einen Mann, auf den man sich im Notfall felsenfest verlassen kann. Für einen Kerl mit Charakter wie auch mit Stil.«
»Wie Sie bereits erwähnten, Sir, ich halte es für das Beste, mit der Geschichte nicht hausieren zu gehen. Je weniger Leute von meinem Verdacht erfahren, desto besser. Es gibt wirklich keinen Grund, Lord Osborne in die Angelegenheit hineinzuziehen.«
»Vermutlich haben Sie recht«, murmelte Sterling, sah aber nicht restlos überzeugt aus.
Als Sofia bemerkte, dass er wieder das Wort ergreifen wollte, neigte sie den Kopf ein wenig nach hinten - und wusste nur zu gut, dass das Licht der Kandelaber in der Nähe die feuchten Tröpfchen auf ihren Augen reflektieren würde. Angesichts der jüngsten Ereignisse fiel es
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