Die Schatten der Vergangenheit
Hausarrest und damit, dass alle meine Privilegien und Besitztümer flöten gingen, mein Auto eingeschlossen. Die Tatsache, dass ich drei Monate ohne diese Dinge klargekommen war, war dabei unerheblich. Sie ließ mich gar nicht zu Wort kommen, und das störte mich nicht im Geringsten. Denn trotz all ihrer Beschuldigungen und ihres Zorns schien sie davon auszugehen, dass ich heimgekehrt war, um zu bleiben.
Und das fühlte sich besser an als das Paradies.
Gerade hatte sie sich wieder ein wenig beruhigt, da erschien mein Vater in der Tür.
Als er mich mit hohlen Augen anstarrte, hörte die Welt auf, sich zu drehen. Anders als Laura kam er nicht auf mich zu, um mich zu umarmen oder um mir, wie Lucy, zu sagen, er habe mich vermisst. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Er wirkte unversöhnlich und unnahbar.
»Donuts!«, stieß Laura hervor. Alle drehten sich zu ihr um, und sie sagte: »Ich möchte Donuts zum Frühstück. Ben, wieso fährst du nicht mit Remy los und kaufst welche?«
Meine Stiefmutter – die Raffinesse in Person!
Niemand rührte sich, und sie funkelte uns an und siebrüllte: »Verdammt, besorgt mir endlich Donuts! Jetzt macht schon!«
Und das taten wir.
Zu dem Donut-Shop hätten wir auch laufen können, aber mein Vater fuhr lieber mit dem Auto. Ich fragte mich, ob er es deshalb tat, damit er den Einkauf schneller hinter sich brächte. In wenigen Minuten waren wir bei der Bäckerei, bestellten Donuts und zwei Kaffees und befanden uns auch schon auf der Rückfahrt, ohne auch nur ein Wort miteinander gewechselt zu haben. Lauras Plan, uns zusammenzubringen, war ein absoluter Fehlschlag.
Aber dann bog er bei uns in die Einfahrt und drückte auf die Hupe. Die Haustür flog auf, und Lucy erschien. Ben winkte sie her und reichte ihr dann die Donut-Schachtel.
»Wir drehen mal eben eine Runde«, erklärte er ihr. »Sag deiner Mom Bescheid, ja?«
Sie nickte und warf mir einen besorgten Blick zu. Sie schien etwas sagen zu wollen, entschied sich dann aber anders.
Ben stieß mit dem Auto auf die Straße zurück und fuhr Richtung Meer. Er hielt den Wagen an dem Parkplatz am Strand, wo ich mich an meinem ersten Morgen entschlossen hatte, in Blackwell Falls zu bleiben. Es war auch der Morgen gewesen, an dem ich Asher kennengelernt hatte.
Mein Vater schaltete den Motor ab, nahm die beiden Kaffeebecher und stieg aus dem Wagen. Ich folgte etwas langsamer, setzte meine Füße in die Spuren, die er auf dem Weg zum Ufer im Sand hinterließ. Er ließ sich auf den Boden plumpsen und reichte mir einen Kaffee, als ich mich neben.ihn gesetzt hatte. Ich wurde nicht schlau aus ihm. War er wütend? Enttäuscht? Hasserfüllt? Alles davon?
Ich wartete.
Ben nippte schweigend an seinem Kaffee und beobachtete ein Segelboot, das über das Meer glitt.
Ich fummelte an meinem Becher herum.
»Ich liebe dich«, sagte er schließlich. »Du bist meine Tochter. Ich verstehe nicht, wieso du so von uns gegangen bist, wie du es getan hast, denn ich hatte gedacht, darüber wären wir hinaus. Aber du bist meine Tochter, und du bist nicht absichtlich grausam. Daher nehme ich an, du verbirgst irgendwelche Geheimnisse über deine Mom, Dean und deinen Großvater vor uns, und ich glaube auch, dass du mich beschützt, indem du mir diese Geheimnisse nicht erzählst. Du vertraust mir nicht, und das schmerzt. Und ich bin wütend auf dich. Dieser Anruf damals, als du sagtest, du kämst nicht zurück, der war so richtig scheiße. Ich hatte solche Angst, dass Dean dich gefunden hätte oder dir etwas anderes zugestoßen wäre, und du hast mir keine Möglichkeit gegeben, dich zu finden. Und wir haben dich alle vermisst, weil du ein Loch in die Familie gerissen hast, als du nicht heimgekommen bist. Und ich weiß genau, ich brauche keine Erklärungen zu erwarten. Aber ich liebe dich, und jetzt bitte ich dich, zu versprechen, dass du uns so etwas nie wieder antust.«
Er verstummte, und ich begriff, dass er es nicht tat, um Luft zu holen. Einen Augenblick sah er mich mit grimmiger Miene an. Und wartete auf eine Antwort. Auf was auch sonst?
»Ich verspreche es.«
Er schürzte nachdenklich die Lippen und nickte dann steif. Dann sagte er: »So, und jetzt trink deinen Kaffee, Remy.«
Ich tat es, auch wenn er grauenhaft schmeckte.
»Ich liebe dich auch, Dad. Das musst du mir wirklich glauben.«
Er gab keine Antwort, aber einen Augenblick darauf legte er mir einen Arm um die Schultern, und wir beobachteten das Segelboot, bis es am Horizont
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