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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Die Woge
     
    Als die Frau erwachte, war der Platz neben ihr kalt und leer.
    »Martin?«
    Keine Antwort.
    Beunruhigt richtete sie sich auf und lauschte in die Dunkelheit. Doch es war nichts zu hören.
    Anna stand auf und öffnete behutsam die Tür. Es dauerte ein wenig, bis sich ihre Augen an das rote Dämmerlicht gewöhnt hatten, das den Raum wie der Schein eines Kaminfeuers erfüllte.
    Ihr Mann saß bewegungslos am Fenster und starrte hinaus in die Nacht. Seine Körperhaltung verriet eine so intensive Anspannung, daß Anna sicher war, daß er sie nicht bemerkt hatte.
    Er hat Angst, dachte sie und spürte, wie sich die Haare in ihrem Nacken aufrichteten.
    Erst jetzt fiel ihr Blick auf die Waffe.
    Solange sie hier war, hatte Martin nie eine Waffe getragen. Anna wußte nicht einmal, daß er eine besaß. Auf dem Mars gab es keine wilden Tiere, eigentlich überhaupt keine Tiere, auch wenn die Rummdogs wie Hunde aussahen.
    Obwohl Anna noch nie etwas Ähnliches gesehen hatte, wußte sie, daß die dunkel schimmernde Waffe auf Martins Knien nicht vom Mars stammte. Sie stammte von früher, und das machte es noch schlimmer.
    »Was ist das, Martin?« flüsterte sie erschrocken.
    Der Mann am Fenster zuckte zusammen.
    Doch er wandte sich nicht um, als fürchtete er, Annas Blick zu begegnen.
    Wortlos ging er zur Tür und zog seine alte Uniformjacke über. Anna wußte, daß er sie nur ihr zuliebe trug. Eine Reminiszenz an irdische Gepflogenheiten: Man zieht sich etwas über, bevor man nachts ins Freie geht.
    Doch heute verfehlte die Geste ihre Wirkung.
    »Ich bitte dich, Martin, sei vernünftig. Da draußen ist nichts, das uns gefährlich werden könnte. Die Stadt ist über dreißig Meilen entfernt, und die Leute dort haben ihre eigenen Sorgen. Jetzt, wo die Raumschiffe nicht mehr kommen ...«
    »Ich wollte, es wäre so«, murmelte der Mann und griff nach seiner Waffe.
    »Bleib hier, Martin! Laß mich nicht allein.« Die Frau sprach leise, in ihren Augen glänzten Tränen. »Nicht noch einmal ...«
    Einen Augenblick lang glaubte Anna, er hätte den Vorwurf überhört, aber dann sah sie den Schmerz in seinen Augen und senkte den Blick.
    »Verzeih mir«, erwiderte der Mann traurig. »Aber da draußen ist etwas. Ich kann es spüren. Und es ist auf dem Weg hierher.«
    In seiner Stimme lag ein Ausdruck, der Anna frösteln ließ.
    »Selbst wenn du recht hast, und da draußen ist wirklich etwas, was willst du tun? Es erschießen?«
    Der Mann starrte sie schweigend an. Seine Gesichtszüge wirkten wie eingefroren.
    »Ich weiß es nicht, Anna«, sagte er ohne die Stimme zu heben. »Ich wünschte, ich könnte der Mann sein, den du verdienst.«
    Dann glitt die Tür hinter ihm ins Schloß.
    Die Frau hörte seine Schritte leiser werden und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Doch als sie aufstand und die Bronzetafel aus ihrem Versteck nahm, war jegliche Unsicherheit aus ihren Bewegungen verschwunden. Zielsicher glitten ihre Finger über die Symbole des Rufes: »Hengotai salib, nawars turan kortes. Worete ... «
     
    Martin Lundgren atmete tief durch. Der Wind hatte sich gedreht und trug einen leichten Brandgeruch mit sich. Die Stadt brannte nun schon seit Tagen. Noch versprachen die Lagerhallen der Marsgesellschaft mehr Beute als die schwer zugänglichen Anwesen der Siedler, aber das würde nicht so bleiben ...
    Bevor er sich auf den Weg machte, sah er noch einmal nach den Rummdogs. Im Schuppen war es warm und roch nach Maschinenöl. Der vertraute Geruch beruhigte Martin ein wenig. Die Hunde schienen seine Nervosität zu spüren. Aufgeregt drängten sie sich zusammen und schnappten mit stählernen Kiefern ins Leere. Als Martin ging, ließ er die Tür weit offen. Was auch immer sich da draußen verbarg, die Rummdogs würde es nicht bekommen ...
    Während des Abstiegs dachte er an Anna. Es war ihm nicht leicht gefallen, sie allein zurückzulassen, aber er hatte keine andere Wahl gehabt. Er mußte die Angreifer stellen, bevor sie das Haus erreichten. Ein Gefühl sagte ihm, daß sie bereits in der Nähe waren, und er rechnete mit dem Schlimmsten. Die Sicherheitskräfte hatten die tobende Menge nicht einmal in den Städten aufhalten können, hier draußen in den Bergen waren die Siedler ohne jeden Schutz.
    Schwer atmend erreichte Martin das Versteck unterhalb der äußeren Windschutzmauer. Von hier aus konnte man tagsüber das ganze Tal überblicken, vor allem aber die E a stern Steelway, die neue Schnellstraße, die hinunter nach Port

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