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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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das war nicht wichtig. Wichtig war, weshalb sie zugesagt hatte. Lena hatte einige Zeit gebraucht, um sich über ihre Motive klarzuwerden. Natürlich hatten die Wiedersehenfreude und Sergejs Charme eine gewisse Rolle gespielt, aber eben nicht die entscheidende. Selbst Miriam, der nun die heikle Aufgabe zukam, Lenas zeitweilige Abwesenheit zu erklären, hatte etwas von »russischer Seele« gemurmelt, was wohl hieß, daß sie das Ganze für das Ergebnis einer sentimentalen Laune hielt. Für ihre Freundin mochte es so aussehen, als hätte sie Sergejs wegen zugesagt oder gar, um den Leuten von Melenki einen Gefallen zu tun. Miriam ging vermutlich davon aus, daß Lena und Sergej zusammen schliefen. Doch das entsprach ebensowenig der Realität – obwohl Lena natürlich daran gedacht hatte – wie ihre vermeintliche Großherzigkeit. Miriam konnte nicht wissen, daß Sergej nur der Katalysator gewesen war für einen Entschluß, der viel tiefere Wurzeln hatte. Daß sie diese Rückkehr nötiger brauchte als jeden weiteren Erfolg auf einer der großen Bühnen der Welt und den Jubel der Kritiker. Daß sich ein Kreis schließen würde, wenn sie heimkehrte ...
    Die schwarze Limousine hatte Geschwindigkeit aufgenommen und jagte mit hundertdreißig Stundenkilometern an riesigen alten Fichten vorbei, die rechts und links der Fahrbahn Spalier standen wie eine Armee stummer Wächter. Das Halbdunkel und das sanfte Schaukeln des Wagens übten eine merkwürdige Wirkung auf Lena aus. Es macht sie nicht etwa schläfrig, sondern brachte sie auf einen Gedanken, der sie trotz oder gerade wegen seiner Abwegigkeit erregte.
    Sie fixierte die Lehnen der Vordersitze und schätzte den Blickwinkel des Innenspiegels ab. Das Ergebnis war ermutigend, und ihr wurde warm. Sie rekelte sich mit halbgeschlossenen Augen auf ihrem Sitz hin und her und rutschte dabei ein wenig nach links, daß sie sich wie unabsichtlich an Sergejs Schulter abstützte. Es schien ihm nicht unangenehm zu sein, natürlich nicht, war er doch ihr Beschützer. Aber Lena wollte keinen Beschützer, nicht jetzt. Die Wärme seiner Haut, die sie durch den Stoff hindurch spüren konnte, verstärkte ihre Erregung. Alles Blut schien an einer Stelle ihres Körpers zusammenzufließen. Was bis dahin nur ein gewagtes Gedankenspiel gewesen war, wurde zu einer fast zwanghaftem Vorstellung. Allein der Gedanke, in diesem Wagen während der Fahrt ...
    Durch die Wimpern hindurch musterte sie Sergejs Gesicht. Er war ahnungslos – ein großer Junge, der den Boden unter ihren Füßen anbetete und sie noch nicht einmal richtig geküßt hatte. Er wird mich für eine Hure halten, dachte sie, aber das war ihr jetzt gleichgültig. Die Hitze war zu groß.
    Lena beugte sich über sein Gesicht und sah ihn mit einem herausfordernden Lächeln an. Der Mann mit den hellen Augen konnte ihrem Blick nicht ausweichen, der schon jetzt viel zu intensiv war, um noch schicklich zu sein. Es dauerte ein wenig, bis Sergej begriffen hatte. Eine flüchtige Röte überzog sein Gesicht, dann zog er sie mit unerwarteter Heftigkeit an sich. Als sich ihre Lippen trafen, behielt Lena die Augen offen. Sie wußte, was sie sehen wollte: ihr Gesicht im Spiegel seiner Augen ...
    Sergejs Körper reagierte schnell und heftig. Lena konnte es spüren und das heiße pulsierende Ding in ihrem Schoß spürte es auch. Es würde kein Zurück geben. Schwer atmend hob sie den Kopf zur Seite und sagte etwas, das sie sich schon vor einigen Minuten zurechtgelegt hatte:
    »Sascha?«
    »Ja, Madame?« Die Stimme des Fahrers klang entspannt. Er schien noch nichts mitbekommen zu haben.
    »Sie werden sich doch nicht umdrehen, nicht wahr?« sagte Lena, und die Schauspielerin, Hure, Frau in ihr bejubelten jede einzelne Silbe.
    »Natürlich nicht, Madame«, versicherte der große Mann nach einer Schrecksekunde und wurde zum zweiten Mal an diesem Tag rot.
    »Dann ist es gut, Sascha«, bemerkte Lena trocken und streifte ihren Slip ab, bevor Sergej sie erneut an sich zog.
    – Fünfzig Kilometer weiter saßen sie nebeneinander und hielten Händchen wie verliebte Teenager in einer Kinovorstellung. Lena hatte sich flüchtig gesäubert und ihre derangierte Kleidung in Ordnung gebracht.
    Es tat ihr nicht leid, und sie schämte sich auch nicht. Vielleicht war es dem Fahrer gegenüber nicht besonders rücksichtsvoll gewesen, aber wenn er wirklich ein Freund war, würde er den Mund halten. Wenn nicht, würde ihm ohnehin niemand glauben. Lena Romanowa, Primaballerina des

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