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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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gespielt hast. Vielleicht warst du neugierig. Vielleicht hast du meinen Kummer gespürt und hattest Mitleid. Dafür danke ich dir. Du hast mich getröstet, als ich es nötig hatte.« Das Mädchen widersprach nicht. Es stimmt, dachte Sylvie, kein Kind wü r de seiner Mutter so eine Rede a b nehmen. Irritiert bemerkte sie, daß ihre Hände zitterten. Sie krallte sie in die Armlehnen des Sessels. Jetzt hätte sie am liebsten jedes Wort zurückgenommen, aber sie spürte Adriennes forschenden Blick auf sich gerichtet, der zu alt war, um zu einem achtjährigen Mädchen zu gehören.
    »Ich glaube«, fuhr sie fort, »ich brauche die Lüge nicht mehr. Vielleicht, wenn du mir dein wahres Gesicht zeigst, könnten wir Freunde sein. Wir können einander verstehen.«
    »Wenn du es willst«, sagte Adrienne. Dann verschwammen ihre Züge. Für einen Moment glaubte Sylvie, einen schmalen, grünhäutigen Körper mit einem zu großen Kopf und großen dunklen Augen zu sehen. Sel t sam, dachte sie, genau so haben wir sie uns immer vo r gestellt. Woher … In diesem Moment löste die Gestalt sich auf. Nichts als ein aufgeschlagenes Märchenbuch blieb zurück. Sylvie spürte einen Stich, ein Echo des alten Schmerzes. Ich hätte nicht fragen dürfen, dachte sie. Es ist wie bei den Wichteln – willst du sie sehen, ziehen sie fort. Es war nicht fair. Sie war doch höflich gewesen, hatte sich bedankt für die Hilfe. Warum war das Wesen nicht geblieben?
    Das wäre nur eine andere Lüge gewesen, sagte eine Stimme in Sylvies Kopf. Wenn wir uns schon auf die Wah r heit einlassen, dann auf die ganze Wahrheit. Es hörte sich an, als lächle der Sprecher.
    »Du bist noch da!« rief Sylvie. »Du hast ganz vergessen, deine Kerzen auszublasen.« Was rede ich nur für einen U n sinn?
    Doch die Kerzen verloschen, eine nach der anderen.
     

Die Begegnung
     
    Drei Tage nach der Begegnung mit dem brennenden Mann machte sich Martin auf den Weg zum Chanan.
    Er ging, obwohl es gute Gründe gab, das Vorhaben zumindest für einige Zeit aufzuschieben. Der Sommer ging zu Ende, und er mußte dringend in die Stadt, um seine Vorräte aufzustocken. Außerdem hatte sich einer der Rummdogs verletzt und benötigte ein neues Gelenk. Die Windschutzwand mußte verstärkt werden, und in den Gewächshäusern wartete jede Menge Arbeit.
    Dennoch ging Martin.
    Er ahnte, daß aus den wenigen Tagen, die er für die dringendsten Arbeiten benötigte, Wochen werden würden, später Monate oder sogar Jahre. Die Erinnerung würde verblassen, und am Ende würde er bei dem Gedanken den Kopf schütteln, daß er sich beinahe tatsächlich auf die Suche nach etwas gemacht hatte, das nur in seiner Phantasie existierte.
    Aber es war kein Hirngespinst, das wußte Martin jetzt. Er hatte Meropes Routenspeicher ausgelesen und tatsächlich einen neuen Eintrag entdeckt. Einen Eintrag, der nicht aus der Navigationseinheit des Mechanowesens stammte. Normalerweise dienten die Routenspeicher der Aufzeichnung zurückgelegter Wegstrecken – eine Art digitaler Ariadnefaden, mit dessen Hilfe die Rummdogs jederzeit den Rückweg finden konnten. Doch zu diesem Eintrag gab es keine passenden Daten ...
    Die Tragweite seiner Entdeckung war Martin erst bewußt geworden, als er das Protokoll schwarz auf weiß in den Händen hielt: Sie waren hier!
    Im Grunde hatte er immer daran geglaubt, aber es war der Glaube eines Kindes gewesen – eines Kindes, das etwas geträumt hat und sich wünscht, es wäre wahr. Die gläserne Stadt war ebenso Teil dieses Traumes gewesen wie Emilio Francetti, der Seifenblasenverkäufer. Immer hatte es ein Erwachen gegeben, die Rückkehr in eine Realität, in der es keinen Platz für Dinge gab, die niemand außer ihm sehen konnte. Jetzt hielt er zum ersten Mal so etwas wie einen Beweis in den Händen, auch wenn dieser Beweis nur aus einem Datumseintrag und einer Kolonne Zahlen bestand. Natürlich konnte er Dr. Fromberg bitten, den Datensatz zu entschlüsseln, aber der Ingenieur würde Fragen stellen – Fragen, die Martin weder beantworten konnte noch wollte.
    Im Grunde war es auch nicht wichtig, wo sich der Ort befand, zu dem ihn Merope führen würde. Entscheidend war vielmehr die Frage, ob er bereit war, sich der Begegnung mit dem Chanan zu stellen ...
    Das war es, worüber Martin die letzten beiden Tage und Nächte nachgedacht hatte, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. »Du wirst vielleicht Dinge über dich selbst erfahren, die schmerzhaft sind«, hatte die Stimme gesagt. Das klang nach

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