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Die Schatten eines Sommers

Die Schatten eines Sommers

Titel: Die Schatten eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Norden
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Augenbrauen und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Wolff klatschte aufmunternd in die Hände. «Was halten Sie davon – Ach was, wir sagen jetzt du, oder? Wo wir nach all den Jahren wieder zusammen sind … Wollen wir uns heute Abend nicht noch in gemütlicher Runde versammeln? Bei mir zu Hause? Ein kleines Klassentreffen sozusagen? Mirko, Peer – wir drei geben allen Bescheid, es sind ja viele hier. Neunzehn Uhr, was meint ihr? Und dann …»
    «Das ist eine wirklich schöne Idee», fiel Fabienne ihm ins Wort. «Aber leider … ich kann nicht. Ich muss heute noch nach Hamburg zurück.»
    «Kommt gar nicht in Frage!», widersprach Mirko. «Sieben Uhr, wir sehen uns! Los, Peer.» Er hatte den kleinen Schlagabtausch von eben scheinbar schon vergessen. Peer sträubte sich kurz, aber dann folgte er Mirko. Wolff verabschiedete sich ebenfalls, nicht ohne Marie noch ein Extralächeln zu schenken.
    «Das war ja komisch eben», sagte ich. «Was war denn da los, zwischen den beiden Jungs? Was hatten die denn mit Dorit?»
    Marie nickte nachdenklich und wandte sich an Fabienne. «Bitte!», sagte sie. «Bleib noch.»
    «Um was zu tun?», fragte Fabienne kühl und hatte die Pastorin von einer Sekunde zur anderen vollständig abgelegt.
    «Um zu reden, verdammt!», entfuhr es mir. «Jetzt hör doch auf mit dem ganzen unverbindlichen Scheiß!»
    «Hast du noch nicht genug?», entgegnete sie kühl. «Entschuldige mal, du hast doch schon ein ganzes Buch lang geredet!»
    «Aber das war doch nur …! Mensch, wir können doch nicht … Wollt ihr nicht wissen, warum Dorit gestorben ist?»
    «Das fragst du dich? Ernsthaft? Vielleicht hast du es ihr ja leicht gemacht.»
    «Fabienne!» Marie versuchte verzweifelt, die Wogen zu glätten. «Nicht hier! Lasst uns heute Abend sprechen! Wir gehen kurz aufs Klassentreffen und danach zu mir oder sonst wohin. Nur wir drei.»
    Fabienne sah zu Boden und schwieg. «Ich muss nicht mehr reden», teilte sie uns schließlich mit. «Ich habe lange genug über diese Geschichte gesprochen. Mit mir und mit Gott.»
    «Bist du deshalb Pastorin geworden?», fragte Marie zaghaft. «Wegen unserer Geschichte?»
    Fabienne straffte den Rücken und lächelte milde. «Das würde jetzt etwas zu weit führen, euch das zu erklären. Entschuldigt mich.» Dann stand sie auf und ging.

[zur Inhaltsübersicht]
    MARIE
    Hanna und ich sahen Fabienne sprachlos nach. Das konnte sie doch nicht machen! Sie konnte doch nicht einfach schon wieder verschwinden, nachdem wir drei uns so lange nicht mehr gesehen hatten! Himmel, es war doch klar, dass wir endlich miteinander reden mussten! Es würde uns allen helfen, mit unseren Schuldgefühlen fertigzuwerden. Zumindest hoffte ich das für mich. Während der Trauerfeier hatte ich Dorits Mutter in ihrem Rollstuhl nur von hinten sehen können, aber nun musste ich immer wieder zu ihr hinüberschauen. Es war wie ein Zwang. Was würde jetzt aus ihr werden? Jetzt, da Dorit sie nicht mehr pflegen konnte?
    Um ehrlich zu sein: Waren meine Schuldgefühle nicht der eigentliche Grund gewesen, warum ich mich entschlossen hatte, überhaupt hierherzufahren? Mir Dorits Beerdigung anzutun? Das musste Hanna und Fabienne doch ähnlich gehen. Auch wenn sich Hanna hinter ihrer gewohnten Selbstsicherheit zu verstecken suchte und Fabienne hinter einem abgeklärten Pastorinnengehabe. Die beiden konnten mir nicht wirklich weismachen, dass sie in den vergangenen Jahren nicht ebenso häufig an die Ereignisse von damals gedacht hatten wie ich. So leicht ließ ich mich nicht mehr täuschen. Diese Zeiten waren vorbei. Endgültig.
    Hanna spielte mit ihrer Marlboro-Packung herum. Sie gierte nach einer Zigarette. Ich konnte es ihr ansehen. Aber natürlich durfte man hier drinnen nicht rauchen. «Wie fandest du Wolff?», fragte Hanna unvermittelt.
    «Wolff?» Ich starrte sie an. «Wie meinst du das?»
    Sie lächelte. «Ach, komm schon, Marie. Er sieht immer noch gut aus, stimmt’s? Diese grauen Schläfen, richtig sexy …»
    Ich zuckte die Achseln. «Ja, schon, er hat sich gut gehalten, ist noch immer selbstbewusst und attraktiv, aber das weiß er auch ganz genau. Wusste es damals schon …»
    Hanna grinste. «Wie er dich angesehen hat …»
    «Hat er das?» Ich versuchte unbeteiligt zu wirken und das kleine zufriedene Lächeln, das sich mit Macht auf meinem Gesicht ausbreiten wollte, zu unterdrücken. Wolff hatte mich angesehen. Mich. Nicht Hanna oder Fabienne, so wie früher. Blitzschnell und routiniert war sein

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