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Die Schatten eines Sommers

Die Schatten eines Sommers

Titel: Die Schatten eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Norden
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Küche, wechselte ein paar belanglose Worte mit Elisabeth und versuchte, etwas Essbares aufzutreiben, aber von den Schnittchen mit Ei, Krabbensalat und Streichmettwurst war nichts mehr übrig. Auch im Wohnzimmer, wo sich immer noch versprengte Grüppchen angeregt unterhielten, waren die silbernen Platten leer geräumt. Also musste ich mich weiterhin mit Salzstangen und Kartoffelchips begnügen, von denen mein Mund schon ganz pelzig war. Ich spülte den Geschmack mit lauwarmem Rotwein hinunter, der offenbar den halben Abend in der Sonne gestanden hatte. Verdammt noch mal, warum war ich nur so dumm gewesen, mein Auto zu Schrott zu fahren? Ich hätte hier schon längst den Abflug machen können. Warum hatte ich überhaupt auf Hannas SMS reagiert, anstatt einfach nach Hause zu fahren?
    Als ich mich umdrehte, sah ich, dass Hanna sich zu Marie und Wolff gestellt hatte. Zwischen ihren Augen hatten sich zwei steile Falten gebildet, die mich an ihre Mutter denken ließen. Ja, diese Art, sich beim Stehen vorzubeugen, eine Hand in die Seite gestützt, dieses Herrische, Energische … Hanna hatte Ähnlichkeit mit ihrer Mutter, so wie sie mir von damals in Erinnerung war. Und ich glaube nicht, dass Hanna dieser Vergleich gefallen hätte.
    Auch Hanna lachte zu laut und zu demonstrativ. Natürlich, ihr ganzes Gehabe war eine einzige Show. Aber wen wollte sie damit beeindrucken? Etwa Wolff? Gönnte sie Marie nicht ihren kleinen Triumph, an diesem Abend bei unserem ehemaligen Lehrer die Nummer eins zu sein? War sie etwa eifersüchtig? Auf Marie?
    Ich presste die Hände gegen die Schläfen und versuchte ruhig zu atmen. Die Nacht war immer noch viel zu warm und von einer schweren Luft erfüllt, die ein Gewitter erahnen ließ. In der Ferne hörte man ein leises Grollen, aber das war schon vor einer Stunde zu hören gewesen.
    «Na, Frau Pastorin.» Mirko schob sich neben mich. Sein kariertes Hemd war durchgeschwitzt. «Nette Party, ne?» Er zog eine Salzstange aus dem Plastikbecher, den ich in der Hand hielt, und wedelte damit vor meinem Mund herum. «Lust auf was Salziges? Weißt du noch, wie wir früher Salzstangenwettessen gemacht haben?» Er fing an, die Salzstange im Eiltempo wie ein Kaninchen in sich hineinzumümmeln. Es sah grotesk aus.
    «Nein», sagte ich, «weiß ich leider nicht. Ich hatte nicht das Vergnügen, dich schon in der Grundschule zu kennen.»
    «Schade eigentlich.» Er grinste und deutete mit dem Kinn zu Hanna und Marie. «Und? Ihr drei Hübschen? Ist ja anscheinend nicht mehr viel übrig geblieben von eurer dicken Freundschaft, oder?»
    Ich zuckte die Schultern. Ich hatte nicht das geringste Interesse, dieses oder irgendein anderes Thema mit Mirko zu diskutieren.
    Mirko grinste immer noch. «Und dabei meinte Dorit noch vor ein paar Wochen, ihr vier wärt auf immer und ewig miteinander verbunden.»
    «So, meinte sie das?» Ich sah an ihm vorbei in den Garten, der von Fackeln und gusseisernen Laternen in ein warmes Licht getaucht wurde. Ich verbot mir darüber nachzudenken, was Dorit alles mit Mirko beredet haben mochte. Er wollte sich doch nur aufspielen. Aus den Augenwinkeln sah ich den falschen nachdenklichen Gesichtsausdruck, den er jetzt aufgesetzt hatte.
    «Ach nee, warte mal … Auf immer und ewig aneinander gebunden, hat sie gesagt, glaube ich. Bis dass der Tod euch scheidet, oder?» Mirko stupste mich mit dem Ellenbogen an, und ich wich zurück.
    «Du bist geschmacklos, Mirko.» Ich ließ ihn stehen und entschloss mich, zu Hanna und Marie hinüberzugehen. Verdammt noch mal, ihretwegen war ich hier. Nur ihretwegen.
    Doch ich war erst auf halbem Weg zur Terrasse, als Marie auf einmal laut wurde. «Was denkst du denn, Hanna?», platzte sie mit schriller, betrunkener Stimme heraus. «Dass du immer noch bestimmen kannst, wo’s langgeht? Das kannst du aber nicht. Ich bin weiß Gott alt genug, um zu wissen, was ich tue.»
    Hanna legte ihr die Hand auf den Oberarm und flüsterte ihr etwas zu, was Marie offenbar noch mehr in Rage brachte. Sie schüttelte Hanna ab.
    «Was geht dich das denn an? Ich verführe, wen und wann und warum ich will, Hanna! Diesmal ist das meine Entscheidung! Meine! Das hat nichts mit dir zu tun! Und nicht mit Fabienne oder Dorit oder sonst jemandem! Nichts!»
    Die Gespräche im Raum und auf der Terrasse waren verstummt. Für einen Moment waren nur das ferne Grollen zu hören und das Rascheln des Windes in den Blättern der Pappeln, die Wolffs Garten säumten.
    «Donnerwetter», sagte Mirko

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