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Die Schatten eines Sommers

Die Schatten eines Sommers

Titel: Die Schatten eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Norden
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Zigarettenschachtel, die Marie hatte liegen lassen, und klopfte sich eine Zigarette aus der Packung. Plötzlich hätte ich sie schütteln können. Das alles hier, das war doch wieder nur eins ihrer Spielchen, das sie mit mir spielte – oder nicht?

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    HANNA
    Fabienne saß ruhig da und sah an mir vorbei in die Dunkelheit. Aber ich spürte die Wut, die sie nur mühsam unterdrückte. Das war nicht die kluge, überlegte, toughe Fabienne gewesen, die ich kannte. Marie mochte zu schwach sein, um ihre Schuld zu tragen, sie musste sie wohl verdrängen. Aber Fabienne? Warum wies sie jede Verantwortung von sich? War sie mir tatsächlich einfach nur gefolgt? Waren all ihre Klarheit und Klugheit und Überlegenheit nur eine grandiose Täuschung gewesen?
    Ich mochte es nicht glauben. Ich wollte die alte, scharfsinnige Fabienne wiederhaben. Die einzige Person auf der Welt, die ich als stärker empfand als mich selbst.
    Für sie schien unser Gespräch beendet zu sein. Aber nicht für mich, ich gab die Hoffnung nicht auf, mit ihr reden zu können. Ich blies ihr den Rauch meiner Zigarette ins Gesicht, und sie zuckte zusammen. «Hast du noch mit Dorit gesprochen, in letzter Zeit?»
    Sie antwortete mir nicht. Ich klopfte ihr leicht auf den Kopf, so wie wir das früher immer getan hatten. «Haaaallo! Jemand zu Hause? Hat sie dich nicht angerufen?»
    Sie rückte ein Stück von mir ab und blickte mich genervt an. «Warum sollte sie?»
    «Wegen meines Buchs! Mich hat sie angerufen. Und Marie hat auch mit ihr gesprochen.»
    Ich erntete einen jener verächtlichen Blicke, mit dem Fabienne mich früher immer gestraft hatte, wenn ich etwas Unüberlegtes gesagt hatte. «Können wir mal über irgendetwas anderes reden?»
    «Nein! Können wir nicht! Dorit ist tot, und ich will wissen, warum. Ich meine, vielleicht hockt da auf Wolffs Terrasse gerade ein Mörder rum! Vielleicht ist es sogar Mirko! Ich habe ihn getroffen, vor der Beerdigung. Er hat gesagt, er hätte sich um Dorit gekümmert.»
    «Es ist völlig egal, ob es Mirko war oder ein anderer», bemerkte Fabienne trocken. «Du wirst sehen: Zum Schluss wendet sich doch alles nur gegen dich. Mit wem auch immer Dorit sich eingelassen hat – es war wegen dir. Mein Gott, siehst du das nicht? Du forcierst einen perfiden Plan. Du lässt Dorit mit den Folgen allein. Und obendrein schreibst du ein Buch, in dem du sie aus Verzweiflung über all das Selbstmord begehen lässt. Sie liest das Buch. Kurz danach begegnet sie jemandem. Einem Fremden. Einem Urlauber, einem Vertreter, was weiß ich. Irgendjemandem, der sich ein bisschen gekümmert hat, dem ihre Bedürftigkeit und ihr Asthma und all das Elend egal waren. Und dann ist das kleine Abenteuer aus dem Ruder gelaufen, warum auch immer. Sie hat nach Halt gesucht, verstehst du? Und ihre Haltlosigkeit … die ist deine Schuld. Um die kommst du nicht herum.»
    Ich war fassungslos. «Fabienne! Das meinst du nicht im Ernst! Das ist … Das ist doch Schwachsinn!»
    «Es ist kein Schwachsinn», bemerkte sie sachlich und stand auf. «Das ist Menschenkenntnis. So was lernt man in meinem Beruf. Dorit war zu schwach für dein Spielchen. Und jetzt spiel alleine weiter.»
    Als sie in der Dunkelheit zwischen den Obstbäumen verschwand, versuchte ich nicht, sie aufzuhalten. Ich war nicht bereit, mich von dem Stachel, den sie in mich getrieben hatte, noch tiefer verwunden zu lassen. Ich würde ihn wieder rausziehen. Alleine. Ich würde mit Mirko reden und herausfinden, was wirklich los gewesen war mit Dorit. Dann würde ich noch einmal mit Christian sprechen. Morgen. In aller Ruhe. Und zum Schluss würde ich mir Fabienne noch einmal vornehmen.
    Entschlossen stapfte ich zum Haus zurück. Die ganze Gesellschaft war noch da, außer Marie und Wolff. Auch Fabienne fehlte.
    Der Sommertag hatte die Terrasse aufgeheizt, immer noch war es nicht wirklich frischer geworden. Man hatte sich auf Liegen und Stühlen verteilt, die Musik im Wohnzimmer war lauter gestellt geworden. Drinnen tanzten engumschlungen Peer und eine Frau, deren Namen ich schon wieder vergessen hatte. Mirko lehnte am offenen Küchentresen und betrachtete die beiden. Ich stellte mich neben ihn, schenkte mir ein Glas Sekt ein und leerte es zügig. Ich würde es brauchen. Mirko legte seinen Arm um meine Hüfte.
    «Tanzen?», fragte er.
    Ich war perplex von meiner Reaktion. Tatsächlich schoss mir Hitze in den Unterleib. Als seine Hand mich fester packte, riss ich mich zusammen.
    «Erzähl mir

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