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Die Schatten eines Sommers

Die Schatten eines Sommers

Titel: Die Schatten eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Norden
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als Dorits Mutter. Ich weiß noch, wie Hanna plötzlich an mich heranrückte, so dicht, dass ich die Hitze spürte, die von ihr ausging. «Es geht los», raunte sie und legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel. Das Blut stieg mir in den Kopf, ich atmete flach und hektisch. Durch das Weitwinkelobjektiv meiner Kamera sah ich, wie Arne beim Felsen stehen blieb, sich zu Marie hinunterbeugte, mit ihr sprach. Ich hörte sie geradezu stöhnen, so wie Hanna es ihr beigebracht hatte. Dann half er ihr auf, legte den Arm um ihre Hüfte, während sie ihren Arm um seinen Hals schlang. «Jetzt muss sie sich fallen lassen», flüsterte Hanna, und im selben Moment packte Arne auch schon fester zu, nahm Marie auf den Arm und trug sie zum Gras am Ufer des Sees.
    Ich schoss ein Bild nach dem anderen. Klick, klick, klick. Ich stand auf, schlich ein paar Meter dichter heran, um eine bessere Perspektive zu haben. Klick, klick, klick. Maries Kopf an Arnes Schulter, ihr nasses Hemd mit der halb entblößten Schulter, ihre Brustwarzen, die sich unter dem Stoff abzeichneten, ihr lasziv geöffneter Mund an Arnes braungebranntem Hals, seine Hand auf ihrem Bauch, sein angespanntes Gesicht, als er sie auf dem Gras ablegte und sich über sie beugte.
    Es waren wunderbare Bilder, das war mir klar, noch ehe ich sie in dem kleinen Fotolabor in unserem Keller aus dem Entwicklerbad zog. «Du bist eine Künstlerin», hatte Hanna gesagt, als sie später neben mir im Keller stand. Ihr Lächeln in dem roten Licht des Labors hatte etwas Unheimliches. Während sich die Konturen von Marie und Arne auf dem Fotopapier in der stinkenden Flüssigkeit immer deutlicher abzeichneten, strich mir Hanna die Haare aus dem Nacken und gab mir einen Kuss auf den Hals. In diesem Moment hätte ich sterben mögen, die Uhr anhalten, das Morgen für immer auf Abstand halten.
    «Du solltest in deinem Alter nicht mehr mit dem Rauchen anfangen, Marie!» Hannas spöttische Bemerkung riss mich aus meinen Erinnerungen. Da saß sie neben mir, mit genau der gleichen Selbstsicherheit wie damals, und Marie drückte tatsächlich die Zigarette in den Boden.
    Ich atmete tief durch. Hannas Art, alles bestimmen zu wollen und sich dann ganz naiv zu wundern, wenn ihr die Dinge entglitten, hatte sich offenbar kein Jota geändert. Sie kreuzte die Arme vor der Brust und legte den Kopf schief. «Ach ja?», spottete sie, offenbar in Erwiderung auf etwas, das Marie gerade gesagt hatte. «Ich habe damals die Sache geplant? Ich soll die Strippen gezogen haben? Vielleicht … Aber dann doch nur, weil irgendjemand die Fäden in der Hand haben muss, wenn die Puppen unbedingt tanzen wollen.» Sie lachte. Dann sah sie mich an. «Warum bist du eigentlich nicht weggeblieben, damals? Du hattest doch eigentlich Skrupel, die Sache durchzuziehen. Und wenn du nicht mit deiner Kamera zurückgekommen wärest, wäre die Geschichte wahrscheinlich im Sande verlaufen.»
    Ich musterte Hanna. Sie saß vor mir im Gras, die langen Beine ausgestreckt, sodass ihre nackten Füße nur einen halben Zentimeter von meiner Hüfte entfernt waren. Meinte sie ernst, was sie sagte? Hätten Marie, Dorit und sie tatsächlich den Plan ohne mich nicht weiter verfolgt?
    «Ich bin zurückgekommen, weil du es gewollt hast», antwortete ich, wobei ich merkte, wie meine Zunge langsam schwer wurde. Auch ich hatte zu viel getrunken. «Weißt du das nicht mehr, Hanna? Du hast mich angerufen und über meine Bedenken gelacht. Komm zurück, Fabienne, hast du gesagt, mir zuliebe.»
    Hanna schüttelte den Kopf. «Nein, das weiß ich tatsächlich nicht mehr. Und selbst wenn es so gewesen wäre – bist du ein Hündchen, das springt, wenn jemand pfeift?»
    Ein feiner Stich fuhr mir ins Herz, und ich biss mir auf die Lippen. Hanna hatte mich springen lassen, nur sie, sonst niemand. Damals nicht und auch danach nie wieder. Vielleicht war es wirklich Verliebtheit, Vernarrtheit gewesen, die mich an sie gebunden hatte. Eine seltsame Faszination, der ich mich nicht entziehen konnte. Nie wieder habe ich mich so manipulieren lassen wie damals als Sechzehnjährige. Nie wieder bin ich so schwach gewesen.
    Ich wollte Hanna antworten, irgendeine scharfe, kluge Bemerkung machen, aber etwas an Maries Blick ließ mich aufmerken. Marie straffte den Rücken noch um einen Zentimeter mehr und fuhr sich rasch mit den Fingern durchs Haar. «Da kommt Wolff», sagte sie.
    Ich drehte mich um und sah ihn durch den halbdunklen Garten auf uns zugehen. «Hier habt ihr euch also

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