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Die Schatten eines Sommers

Die Schatten eines Sommers

Titel: Die Schatten eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Norden
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Hamburg», stellte er fest. Dann gab er mir die Hand. «Vielleicht sehen wir uns noch, bevor du zurückfährst? Du bist doch mit Hanna und Marie zum Frühstück verabredet, oder?» Er sah mich fragend an.
    «In Beerenbök bleibt offenbar nichts verborgen», antwortete ich lächelnd. «Apropos: Was ist eigentlich mit diesem mysteriösen Fremden, von dem meine Tante mir erzählt hat? Der, der Dorit gefunden hat.»
    Jetzt stieß Christian die Luft durch die Nase aus. «Tja, auch das ist Beerenbök … Für einige war der Mann quasi schon überführt, nur weil er nicht von hier war.» Er schüttelte den Kopf. «Aber der hatte nichts damit zu tun. Er war mit seiner Frau und seinen drei Kindern unterwegs und hatte ein bombensicheres Alibi.» Christian lächelte ebenfalls.
    «Ja», sagte ich, «Beerenbök …»
    Als ich auf meinem Rad Richtung Dorf fuhr, spürte ich, wie mir die Kiefermuskeln schmerzten. Ich versuchte sie zu lockern und legte all meine Kraft in das Treten der Pedale. Die Wut auf Hanna trieb mich an. Nun gut, ich würde zu diesem letzten Treffen gehen, schon allein wegen Marie. Aber vorher würde ich mich noch kurz hinlegen. Auch wenn ich nicht schlafen konnte – ich musste versuchen, meine Wut in den Griff zu bekommen. Ich durfte mich nicht gehenlassen, nicht Hanna gegenüber.

[zur Inhaltsübersicht]
    HANNA
    Ich war genervt gewesen, weil Marie unser Treffen so früh angesetzt hatte, aber sie war gestern zu schnell verschwunden, um das auszudiskutieren. Ich hatte mir den Wecker auf neun Uhr gestellt, um pünktlich um zehn im Café Waldhorn zu sein. Es lag auf halber Strecke zwischen Beerenbök und Malente, also nur ein paar Autominuten entfernt. Mein Schädel dröhnte, als ich um halb acht die Augen aufschlug. Ich war hellwach. Ich hatte von Mirko geträumt. Dorit war tot. Sie lag nackt auf dem Bett, Fabienne und ich standen in der Tür. Mirko öffnete seinen Gürtel, während er uns zunickte.
    «Nur ein Geist!», lächelte er beschwichtigend. «Ein Deal auf Gegenseitigkeit mit einem Geist!»
    Die Situation war so schrecklich real, dass das Bild mich gefangen hielt, bis ich mich endlich mit einem Ruck aufrichtete und ins Badezimmer stürzte. Ich musste dringend mit Christian reden. Es blieb noch Zeit genug, um das vor dem Treffen mit Marie und Fabienne zu tun. Ich musste ihm erzählen, was Mirko gesagt hatte und wie wütend er geworden war, als ich ihn nach Dorit gefragt hatte.
    An der Rezeption verlängerte ich um eine weitere Nacht. Ich hatte nichts Dringendes vor und wollte nicht nach Hause fahren, bevor ich nicht zumindest etwas mehr Klarheit über Dorits mysteriösen Tod hatte. Als ich vors Hotel trat, lag bereits eine Ahnung von Sommerhitze in der Luft. Der Ort war trotz der frühen Stunde bevölkert von müßigen Rentnerpaaren in zweckmäßiger Kleidung und müde aussehenden jungen Eltern mit aufgekratzten Kleinkindern. Wieder einmal wusste ich, warum ich nie Mutter geworden war. Ich beschloss, einen schnellen Abstecher nach Beerenbök zu machen, um irgendjemanden aufzutreiben, der mir sagen konnte, wo Christian zu finden war. Aber ich musste nicht bis nach Beerenbök fahren. Kurz vor dem Dorf, am Rande eines Feldweges, entdeckte ich ihn. Er stand neben seinem Fahrrad, blinzelte in die Sonne und machte offensichtlich eine kleine Frühstückspause. Ich bremste scharf, bog ab und hielt direkt neben ihm. Während ich ausstieg, drohte er mir freundlich mit dem Zeigefinger.
    «Du hast nicht geblinkt!» Er hatte eine Thermoskanne dabei und bot mir Kaffee aus einem Plastikbecher an. Wir plauderten ein wenig, bis ich zum Punkt kam. Er nickte bedächtig, während ich von Mirko berichtete.
    «Ja», meinte er schließlich. «Irgendetwas war da wohl zwischen den beiden. Aber Mirko ist verheiratet. Es ist klar, dass er nicht unnötig drüber reden will.»
    «Aber du kannst ihn doch verhören und es rausbekommen, oder?»
    Christian schüttelte den Kopf. «Verhören kann ich im Moment überhaupt niemanden. Ich kann Fragen stellen und auf Antworten hoffen. Erst wenn ich einen begründeten Verdacht habe, kann ich offiziell ermitteln.»
    Ich war enttäuscht. Und erschrocken, als er unvermittelt das Thema wechselte. «Ich hab dein Buch gelesen», sagte er. «Heute Nacht. Gut geschrieben. Und sehr interessant.»
    Ich rang mir ein Lächeln ab. «Danke.»
    «Manchmal liegen Spuren ja weit zurück», meinte er und sah mich dabei prüfend an.
    «Ja?», fragte ich hilflos. «Ist das so?»
    Christian zeigte ins Nirgendwo.

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