Die Schatten schlafen nur
und ich frage mich, warum der gestern diesen dummen Fehler gemacht hat. Er hätte doch einfach nur behaupten müssen, er habe, erblich bedingt, das gleiche Mal wie sein Bruder gehabt und das wäre schon vor zig Jahren entfernt worden.«
»Aber du hast ihn doch völlig überrumpelt«, wandte Cox ein. »Der hatte gar keine Zeit zum Nachdenken. Außerdem kam er mir ziemlich krank vor.«
»Oder aber er hat ein reines Gewissen«, gab Astrid zu bedenken.
Van Appeldorn stand auf und öffnete die Tür zum Gang, um ein bisschen frische Luft reinzulassen. »Spielen wir das doch mal durch. Opitz findet, anhand des Muttermales oder wie auch immer, heraus, dass von Bahlow mit einer falschen Identität lebt. Wie verhält er sich?«
»Der erpresst den«, schlug Ackermann vor, aber Toppe runzelte die Stirn.
»Glaub ich nicht. Das passt nicht so recht zu Opitz. Er schneidet von Bahlow, macht aus seiner Verachtung keinen Hehl.«
»Aber der Opitz muss dem wat gesacht haben«, beharrte Ackermann. »Der muss dem verklickert haben, dat er Bescheid weiß. Un’ deshalb is’ der Alte dem dauernd in den Karren gefahren, so dat der Opitz im Dorf keine Schnitte mehr gekriegt hat.«
»Wenn wir Richard von Bahlow glauben können, hat Opitz in den letzten Monaten vor seinem Verschwinden damit gedroht, über gewisse Leute im Dorf auszupacken.« Cox strich sich übers kurz geschorene Haar. »Da wurde es für den alten Bahlow gefährlich und er hat Opitz kurz entschlossen um die Ecke gebracht. Mit einem Genickschuss, da hatte er schließlich Übung.«
»Märchenstunde«, spottete van Appeldorn. »Eine schöne Geschichte, mehr nicht.«
Auch Astrid war nicht überzeugt. »Wir haben nichts in der Hand. Nicht einmal einen Beweis, dass Waldemar in Wirklichkeit Konstantin ist.«
»Dat hab ich doch gestern schon gesacht«, rief Ackermann dazwischen. »Ich geh inne Archive vonne Krankenhäuser un’ find dat Papier, dat se dem alten Gangster dat Eumel anne Hand rausgeschnitten haben.«
»Hört sich für mich nach der berühmten Stecknadel an«, knurrte Cox.
»Besser wie nix, sach ich immer …«
»Falls du richtig liegst, Helmut«, van Appeldorn klang plötzlich energisch, »erste Frage: Warum brauchte von Bahlow eine neue Identität?«
»Kriegsverbrechen«, antwortete Toppe sofort. Er wusste, in welche Richtung van Appeldorn zielte.
»Zweite Frage: Was ist aus dem echten Waldemar geworden?«
Der Satz schwebte eine Weile im Raum.
»Auf nach Brandenburg«, murmelte Cox schließlich. »Ich würde mich wohl freiwillig anbieten.«
»Und auf nach Köslin«, ergänzte van Appeldorn. »Ist dort noch etwas über diese Hinrichtung bekannt? Weiß man etwas über Konstantin von Bahlow? Weiß man etwas über Opitz? Hat der das Opfer gekannt? Hat er die Erschießung beobachtet?«
»Das heißt doch heute bestimmt nicht mehr Köslin,? oder?«, gab Cox zu bedenken.
»Koszalin«, antwortete Toppe und holte eine Landkarte aus seiner Jacke, die über der Stuhllehne hing. »Ist gar nicht so schrecklich weit weg von der Uckermark. Ich habe mir das gestern angesehen. Koszalin liegt nur ein paar Kilometer von der Ostsee entfernt, nicht weit von Stettin. Der nächste Flughafen ist nicht etwa Warschau, sondern Berlin. Am besten nimmst du dir dort einen Mietwagen.«
»Aha!« Peter Cox sah von einem zum anderen. »Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich irgendwie überrumpelt worden bin.«
Ackermann lachte meckernd. »Dat sind ’n paar Schliekefängers, wa? Da kommt man so leicht nich’ gegen an. Obwohl, se haben ja auch Recht, ir’ndwie. Ich mein, für dich als Junggeselle is’ dat doch ’n Klacks, ma’ ebkes inne Weltgeschichte rumgondeln. Du bis’ doch solo oder hab ich dat falsch? Wer weiß, wer weiß, die Polin an sich soll ja besonders lecker sein …«
Unter van Appeldorns zornigem Blick versiegte sein Redefluss langsam.
Cox war ein bisschen rot geworden. »Und wie schließen wir uns kurz?«, fragte er Toppe. »Telefon und Handy scheinen mir zu unsicher. Ist vielleicht am besten, ich nehme den Laptop mit und wir verständigen uns via E-Mail.«
Er verspürte das dringende Bedürfnis, sofort eine Liste anzulegen. Astrid machte ihm Platz, so dass er seinen Notizblock aus der Schublade holen konnte, aber dort fand er erst einmal eine Stange Toblerone und eine Packung Philip Morris. »Wer war das?«
Ackermann schlug die Augen gen Decke und fing an zu flöten, laut, schief und betont unauffällig.
»Ich will ja nich’ nölen«, meinte er dann,
Weitere Kostenlose Bücher