Die Schatten schlafen nur
leise. Dann öffnete er sanft den Knopf am Bündchen des Nachthemdes.
Am Handgelenk wurde eine Narbe sichtbar, wulstig, beinahe kreisrund.
Von Bahlow schlug Toppe hart auf die Finger. »Lassen Sie mich sofort los! Fassen Sie mich nicht an!«
»Woher stammt diese Narbe, Herr von Bahlow?«
»Ich habe mich verbrannt. Ein paar alte Säcke im Treibhaus. Hatten Feuer gefangen. Zwanzig Jahre her, wenn nicht länger.«
»Wer hat die Wunde versorgt?«
Von Bahlow lachte ein trockenes Altmännerlachen. »Versorgt! Als ob ich dafür einen Arzt brauche!« Er drehte sein Handgelenk hin und her.
»Sie haben das also selbst genäht?« Wieder berührte Toppe den Mann, fuhr mit dem Finger über die Stichmale.
»Genäht! Da ist nichts genäht worden!« Von Bahlow riss die Hand zurück. »Und jetzt reicht es mir! Ich darf Sie bitten.«
»Nein«, fiel Toppe ihm ins Wort. »Ich darf Sie bitten! Sie werden sich in der nächsten Zeit zu unserer Verfügung halten und das Dorf nicht verlassen.«
Der Alte lachte wieder. »Dieses Dorf, Herr Hauptkommissar, verlasse ich nur noch mit den Füßen nach vorn.«
Auch auf dem Rückweg sprach Toppe kaum.
»Verdammt«, rief Cox unvermittelt. »Wir haben ihn gar nicht mit den tausend Mark konfrontiert, die er für seine Erfindung gekriegt hat. Wir hätten ihn doch festnageln müssen, ihn fragen, wie er denn nun tatsächlich an sein Vermögen gekommen ist.«
»Nein«, antwortete Toppe entschieden. »Noch haben wir keine Munition. Wir müssen abwarten, was Ackermann findet. Außerdem brauchen wir doch auch noch was für unseren nächsten Besuch.«
Im Präsidium hatte man längst Feierabend gemacht, nur Ackermann saß mit hochgelegten Beinen in ihrem Büro herum und puhlte in seinen Ohren. »Ich könnt einfach nich’ Schluss machen, als ich gehört hab, wat Sache is’. Also wat?«
Toppe erzählte es ihm.
»Genäht worden? So sah dat aus? Tja, wat meinen Sie, Chef? Dat Ding is’ doch wohl vorrangig, oder? Wat hat der Kaiser gesagt? Vor zwanzig Jahren? Dat ich nich’ lach! Un’ wenn, auch vor zwanzig Jahren hat man so wat noch nich’ ambulant gemacht. Also müsst’ man einfach ma’ die Krankenhäuser inne Umgebung abklappern. Zwanzig Jahre! Wenn Se mich fragen, dann muss dat doch so um 63 rum gewesen sein, oder hab ich da inne Berichte wat falsch gelesen? Ich mein, dat war doch die Zeit, wo der Kaiser von Nierswalde angefangen hat, dem Opitz an ’t Bein zu pissen, oder? Un’ irgend ’n Grund muss er dafür ja gehabt haben. Dat tät passen. Chef, wenn Sie nix dagegen haben, konkret, mein ich, dann mach ich mich gleich morgen früh auffe Socken. Finanzkacke hin, Finanzkacke her, un’ die Vandalen können uns auch ma’ die Kont kösse, einstweilen. Oder wie sagt man dat auf Deutsch? Die können uns einmal am Abend besuchen.«
Er rieb sich strahlend die Hände, stopfte sein Tabakpäckchen und seine Mascotte-Blättchen in die Taschen und sah Toppe an. »Also wat? Ja?«
»Ja.« Toppe nickte.
Ackermann tippte sich grüßend an die Stirn und ging hinaus. »So ’n alter Sack wie ich brauch seinen Schönheitsschlaf.«
Cox schaute ihm nach. »Ich glaube, der ist gar nicht so schlecht.«
25
Niemand hatte bei der Planung des neuen Präsidiums daran gedacht, dass man sich hin und wieder in größerer Runde zu einer ausführlichen Besprechung zusammensetzen musste, und so nahmen Ackermann und Cox mit den Schreibtischkanten vorlieb, Toppe mit der Fensterbank. Er durfte sich nicht beklagen. Ihm stand als Leiter des KK 11 eines der komfortablen Büros im Verwaltungsflügel zu, auf das er freiwillig verzichtet hatte. So gern er normalerweise allein war, bei der Arbeit hielt er das für fatal. Er brauchte seine Grübelzeiten, aber genauso sehr brauchte er die Überlegungen der anderen und den Austausch.
»Jetzt wissen wir also, dass von Bahlow sein Vermögen nicht mit dieser Erfindung gemacht hat«, sagte Cox. »Demnach sind wir wieder bei der Frage: Wo hat er sein Geld her?«
»Ich würd ers’ ma’ dem seine Geschäfte überprüfen«, schlug Ackermann vor. »Wat der für Betriebe gekauft hat, wat der gebaut hat, wat da für Summen geflossen sind un’ wie. Wie viel hat zum Beispiel die Witwe Opitz für ihre Klitsche gekriegt?«
Toppe blieb still. »Entschuldigt«, meinte er, als er merkte, dass die anderen abwarteten. »Ich habe an was anderes gedacht.«
»Du glaubst, Waldemar von Bahlow ist in Wirklichkeit Konstantin«, meinte Astrid, »und war Offizier im Zweiten Weltkrieg.«
»Ja,
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