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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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glitt leise auf den Rücksitz, als der Anwalt einstieg. Fegan wartete, bis Toner die Fahrertür schloss. Als sie zuschlug, zog auch er seine Tür zu.
    »Himmel Herrgott!« Toner wirbelte auf seinem Sitz herum. Mit offenem Mund glotzte er zuerst in Fegans Gesicht, dann auf die Pistole in seiner Hand.
    »Hallo, Patsy«, sagte Fegan.
    Er ließ Toner zuerst nach Osten und dann nach Norden fahren. Auf dem Westlink wurde wild gehupt, als sich vor ihnen ein rostiger roter Lieferwagen durch den Verkehr schlängelte. Die Stockungen nahmen ab, als sie sich den ausladenden Bögen der M1 näherten. Fegan riskierte einen Blick über den Fluss hinweg zum Odyssey-Komplex, dessen Lichter gerade für einen geschäftigen Samstagabend erwachten. Vor weniger als einer Woche hatte er hier auf den Abzug gedrückt und Michaels McKennas Schuld beglichen. Jetzt wurde ihm klar, dass die Stelle kaum fünfzig Meter von diesem Straßenabschnitt entfernt lag. »Gib Gas!«, befahl er Toner.
    Nach zwanzig Minuten hatten sie ein Industriegebiet nordwestlich der Stadt erreicht. Als der Himmel sich verdunkelte, befahl Fegan Toner, zwischen den niedrigen Gebäuden anzuhalten, außer Sichtweite der dröhnenden Autobahn. Er war schon einmal hier gewesen, vor neun Jahren, als die beiden Jungs von der UFF einen so hässlichen Tod gefunden hatten. Jetzt liefen eben diese beiden UFF-Burschen mit hass- und schmerzerfüllten Gesichtern im Nieselregen umher und berührten die Stellen an ihrem Körper, die Fegan durchlöchert hatte. Er konnte nicht hinsehen.
    Das Gelände war inzwischen verlassen, nur noch Skelette aus Stahl und Beton auf einem Stück Brachland, die darauf warteten, dass man sie abriss und Platz schaffte für ein Wohnungsbauprojekt. Sie sahen aus wie Trauergäste an einem Grab.
    »Gib mir die Schlüssel!«, verlangte Fegan.
    Toner reichte sie nach hinten, seine Augen flatterten kurz zu Fegan herüber und wieder zurück. »Was willst du. Gerry? Du hast mir höllisch Angst gemacht.«
    Fegan ließ die Schlüssel in seine Tasche gleiten. »Wer ist der Bulle?«
    Toner blinzelte verwirrt. »Was für ein Bulle?«
    »Der Typ, der da drinnen für euch arbeitet. Du hast mir an dem Tag von ihm erzählt, als ich eingebuchtet wurde. Ich meine den Kerl, der mich zusammengeschlagen hat.«
    Toner hob die Hände. »Ich weiß es nicht, Gerry. Einfach nur irgendein Informant. Ich bin ihm nie begegnet.«
    »Du lügst. Davy Campbell hat mir erzählt, dass du den Kontakt hergestellt hast.«
    »Nein, das stimmt nicht. Ich schwöre bei Gott, Gerry, ich weiß nicht, wer er ist.«
    »Gib mir deine Hand.«
    Toner schüttelte langsam den Kopf. »Nein.«
    Fegan hob mit der rechten, jetzt ruhigen Hand die Pistole und streckte seine Linke aus.
    »Nein«, wehrte sich Toner.
    Fegan drückte ihm die Walther an die Schläfe. Der Anwalt kniff die Augen zusammen und hielt seine linke Hand hin.
    »Ich frage dich ein letztes Mal«, sagte Fegan und umklammerte Toners kleinen Finger. »Wer ist der Bulle?«
    »Großer Gott, Gerry. Bitte! Ich weiß nichts. Ich erledige nur hier und da etwas für McGinty, wenn er mich braucht. Ich übernehme seine Fälle. Mehr nicht. Mit diesem ganzen anderen Zeug will ich nichts zu tun haben.«
    Fegan legte die Walther neben sich auf die Bank, weit außerhalb von Toners Reichweite, und nahm dessen Armgelenk in seine rechte Hand. Mit der Linken bog er den Finger auf und ab. Zuerst fühlte er noch die steife Elastizität des Gelenks, dann den Knack, als es brach und schließlich die Schlaffheir des gebrochenen Knochens.
    Toner schrie auf.
    »Du hättest es mir sagen können, Patsy. Das hier hätte nicht passieren müssen.«
    »Ach, Scheiße!« Toner versuchte, seine Hand zurückzuziehen, aber Fegan packte zu, und der Anwalt schrie erneut auf.
    Um die Bruchstelle herum wurde es heiß. Fegan konnte bereits die Schwellung in der Hand fühlen. Durch die dünne Membran seines OP-Handschuhs hindurch spürte er, wie es pulsierte. »Wer ist der Bulle?«, fragte er.
    »Bitte, Gerry! O Gott, bitte!« Tränen rannen Toner die geröteten Wangen hinunter. »Ich kann es dir nicht sagen. Wegen McGinty. O mein Gott, der bringt mich doch um. Bitte, Gerry, hör auf!«
    Fegan umklammerte Toners Ringfinger. »Wer ist der Bulle?«
    »Gerry, bitte. Ich kann nicht.«
    Toner schrie erneut auf und übertönte das Geräusch des brechenden Fingers.
    Fegan seufzte. Toner überraschte ihn. Er hatte ihn immer für einen Schwächling gehalten, aber der Anwalt war alles andere als das.

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