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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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schlug. Dann ein heulendes Kind.
    Aber ja.
    Jetzt fiel es ihm wieder ein: das Geheimnis, das nur er wissen durfte. Es fühlte sich kalt und hart und scharf an. Es klebte an seinem Unterschenkel und wartete.

O’Kane rieb sich seine brennende Handfläche und drehte sich zu dem heulenden Kind und seiner Mutter um. »Sorgen Sie dafür, dass die Göre aufhört, sonst übernehme ich das.«
    Marie zog das Mädchen ganz fest an sich, wiegte es und strich ihm über das Haar. Das Kind kreischte an der Brust seiner Mutter, und O’Kane verzog das Gesicht angesichts der nervtötenden Schreie. Eigentlich mochte er Kinder durchaus, aber ihre Tränen konnte er nicht ertragen. Sobald einer seiner sieben Söhne und Töchter so wie die da gebrüllt hatte, hatten sie eine Ohrfeige kassiert, die sie zur Ruhe brachre. O’Kane sah auf Fegan hinab, der ausgestreckt am Boden lag.
    »Komm wieder hoch.«
    Fegan kletterte zurück auf den Stuhl.
    »Soll das etwa heißen, dass du das alles nur gemacht hast, weil diese Typen in deinem Kopf es dir gesagt haben?«
    Fegan hielt den Blick gesenkt. O’Kane ließ den Arm vorschnellen und packte ihn an den Haaren. Er riss Fegans Kopf hoch, damit er diesem Verrückten in die Augen sehen konnte. Er hatte Wut im Bauch, Wut wegen dieses Schwachsinns und der Sinnlosigkeit der ganzen Sache. Er sah hinüber zu Marie und ihrem Kind und dann wieder Fegan an.
    »Antworte mir, sonst schneide ich ihnen die Kehle durch.«
    »Ja«, sagte Fegan.
    »Verdammt und zugenäht!« O’Kane ließ Fegans Schopf los und trat zwei Schritte zurück. Er überlegte und überlegte und versuchte, irgendwie einen Sinn hinter dieser Geschichte zu entdecken. Aber da gab es natürlich keinen. Er blickte in Fegans ausdrucksloses Gesicht. »Und warum plötzlich jetzt, nach so vielen Jahren? Was hat das Fass zum Überlaufen gebracht?«
    »Seine Mutter.«
    »Wessen Mutter?«
    »Die von dem Jungen. Von dem Jungen, den ich für McKenna umgebracht habe. Sie kam auf dem Friedhof zu mir. Sie wusste, wer ich war und was ich getan hatte. Sie wollte wissen, wo er vergraben war.«
    O’Kane tauschte einen flüchtigen Blick mit McGinty aus. »Und hast du es ihr gesagt?« Fegan nickte.
    »Deshalb buddeln die Cops also neuerdings im Moor bei Dungannon herum. Was hast du dir eigentlich davon versprochen?«
    »Ich dachte, dann würde er mich in Ruhe lassen«, sagte Fegan. »Aber das hat er nicht. Er wollte mehr. Er wollte Michael. «
    »Großer Gott.« O’Kane hatte Mühe, mit so einem Irrsinn umzugehen.
    »Seine Mutter hat mir noch etwas gesagt«, fuhr Fegan fort. »Und was?«
    Fegan sah zu O’Kane hoch, und plötzlich blitzte Angst in seinen Augen auf. Nicht etwa vor Bull oder sonst jemandem. Angst vor etwas anderem, irgendwie weit Entrücktem.
    »Jeder muss bezahlen«, sagte Fegan. »Sie hat gesagt, früher oder später muss jeder bezahlen.«
    O’Kane schüttelte den Kopf. »Du hast das also alles nur gemacht und diesen ganzen Schlamassel angerichtet, weil dich irgendein Weib auf dem Friedhof angegangen ist?« O’Kane drehte sich zu Marie um. »Und du hast ihm geholfen.«
    Marie sah von ihrer Tochter zu ihm hoch. »Was?«
    »Du hast ihm geholfen, nachdem er meinen Vetter umgebracht hatte.«
    Marie schüttelte den Kopf. »Er hat gesagt, dass er es nicht war.«
    »Himmelherrgott, er hat deinen eigenen Onkel umbracht.«
    Marie starrte Fegan an. »Er hat geschworen, dass er es nicht war. Er hat es beim Leben meiner Tochter geschworen.«
    O’Kane sah erst sie und dann wieder Fegan an. Er merkte, dass gerade etwas zwischen den beiden zerbrach.
    »Gerry, du hast es mir bei der Seele meiner Tochter geschworen.«
    Fegan schoss die Augen. »Es tut mir leid.«
    Marie begrub ihr Gesicht im Haar ihrer Tochter und fing an zu weinen. Unwillkürlich musste O’Kane grinsen. Er trat zurück zu Fegan, beugte sich vor und legte ihm die Hände auf die Knie.
    »Ich habe den Eindruck, ihr wart beide nicht ganz ehrlich zueinander. Ich wette, sie hat auch nicht alles erzählt.« O’Kane warf Marie einen flüchtigen Blick zu. »Oder? Hat sie dir etwa die Geschichte zwischen ihr und unserem Freund hier gebeichtet, dem Politiker?«
    »Hören Sie auf«, sagte Marie.
    O’Kane ignorierte sie. Stattdessen starrte er in Fegans zerfurchtes Gesicht, als er weiterredete. »Das wissen nicht viele von euch. Marie McKenna war nämlich früher mal ein bisschen mit Paul McGinty verbandelt. Wenn er damals nicht schon verheiratetet gewesen wäre, hätten sie es nicht so geheimhalten

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