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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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einer einen Gefallen getan.«
    »In welcher Hinsicht?«, fragte Fegan.
    McGinty lächelte. »Nun ja. Michael - Gott hab ihn selig - hat sich da auf ein paar Sachen eingelassen, von denen er besser die Finger gelassen hätte. Die Zeiten haben sich eben geändert. Ein paar Leute - nicht alle, aber einige - wollen, dass der Stormont Erfolg hat. Und zwar auf allen Seiten. Bei uns, bei den Briten und sogar bei den Unionisten. Wir leben heute in einer anderen Welt. Mit Bomben kann man nichts mehr ausrichten. Die Dissidenten haben in Omaha selbst dafür gesorgt. Die Menschen akzeptieren Gewalt nicht mehr so wie früher. Und dann kam auch noch der n. September. Seitdem sehen die Amerikaner den bewaffneten Kampf mit anderen Augen. Früher konnten wir ihnen einfach eine romantische Vorstellung verkaufen, uns Freiheitskämpfer nennen, und sie waren begeistert. Das Geld floss in Strömen, beinahe jeder amerikanische Ire ließ etwas springen für die alte Heimat. Heute kaufen sie uns das nicht mehr ab. Wir haben jetzt Frieden, ob es uns passt oder nicht.«
    Fegan sah die Wandmalereien vorbeiziehen, Bilder und Slogans, Porträts republikanischer Helden und gleich daneben Solidaritätsbekundungen mit Palästina und Kuba. Ein weiteres Wandbild verkündete, Katalonien sei nicht Teil von Spanien. Fegan wusste nicht, ob ja oder nein, aber manchmal fragte er sich doch, ob das irgendjemanden in der Falls Road etwas anging. Dann gab es ein Bild von George Bush, wie er von einem Schlachtfeld voller Schädel Öl aufsaugte. Amerikas größter Versager, verkündete es.
    McGinty fuhr fort. »Das ist ein Drahtseilakt, wir dürfen nicht die Balance verlieren. Zugegeben, die Briten lassen uns in letzter Zeit etwas mehr Spielraum. Sie drücken schon mal ein Auge zu, um der Stabilität willen. Trotzdem lassen wir von irgendwelchen zwielichtigen Machenschaften jetzt die Finger. Müssen wir auch. Na gut, wir können immer noch ein paar Geschäftchen machen und ein paar Moneten extra verdienen, wenn wir nur vorsichtig sind. Und diskret. Mich bringt das jetzt allerdings in eine schwierige Lage. Ich habe Jahre an Arbeit investiert, genau wie alle anderen. Und wie alle anderen habe auch ich meinen Hals riskiert, also will ich jetzt auch meinen Anteil am Lohn. Aber wenn ich einen Sitz im Stormont haben will, muss ich sauber sein. Makellos, verstehst du?«
    McGintys Lächeln verschwand. »Und Michael ist zunehmend zu einem Problem geworden. Ich habe ihm gesagt, er soll keinen Ärger machen, weil jeder Mist, den er fabrizierte, an mir klebenbleiben würde. Aber er hat nicht auf mich gehört. Menschenschmuggel! Herrgott! Die Litauer haben aus dem Süden Mädchen ins Land geschleust, und Michael hat dabei kräftig mit abgesahnt. Schön, da war gutes Geld zu verdienen, aber du lieber Himmel - mit Kindern? Ich meine, die waren doch erst fünfzehn oder sechzehn! Nicht mal die Briten konnten so etwas durchgehen lassen. Das hätte er besser den Loyalisten überlassen, die sind so blöde, dass sie es nicht besser wissen. Wenn man ihn erwischt hätte, hätte er mir damit eine Menge Schaden zufügen können. Die Führung hat sich Sorgen wegen ihm gemacht. Sie hat sogar mit dem Alten drüber gesprochen.«
    McGinty drückte Fegans Knie. Der spannte den Oberschenkel an und scharrte mit dem Schuh über die Fußmatte des Lincoln.
    »Und dann ist da noch Vincie. Versteh mich jetzt bitte nicht falsch. Vincie war ein guter Freiwilliger. Der beste Verhörspezialist, den wir je in Belfast hatten. Aber dann hat er herumgestänkert, wie wenig es ihm gefiel, dass wir im Stormont säßen, dass ihm unsere Unterstützung für die Bullen nicht passte, dass wir unsere eigene Sache verrieten. Und du weißt ja, wie der Alte ist, Gerry. Bull O’Kane mag keinen Widerspruch aus den eigenen Reihen. Erst letztes Wochenende wurde ich runter auf die Farm zitiert, und er hat mir befohlen, die Sache zu regeln. Entweder würde ich wieder alle auf Spur bringen, oder ich wäre draußen.«
    Fegan kannte die Farm, die McGinty meinte. Ein paar Hektar Land mit einem armseligen Haus direkt an der Grenze zwischen Nordirland und der Republik, dort, wo aus Armagh das County Monaghan wurde. Von diesem Schlupfloch aus regierte der »Bulle« O’Kane sein Imperium. Fegan hatte schon öfter Gerüchte gehört, wie viel Geld der Alte scheffelte. Millionen, sagten eine paar, vielleicht sogar Hunderte Millionen. Die verstecke er in Immobilien rund um die Welt, ob in England, Spanien, Portugal oder Amerika, oder

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