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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Brüder zum Beispiel. Und ich kenne auch die andere Seite, die Polizisten und die Loyalisten. Bei meiner Arbeit habe ich mit all diesen Leuten gesprochen. Jeder trägt sein Päckchen Schuld. Sie sind da gar nichts Besonderes.«
    Ihr freundlicher Ton milderte die letzten Worte ab.
    »Nein, bin ich wohl nicht«, sagte er. Irgendwie gefiel ihm diese Vorstellung.
    »Jedenfalls glaube ich nicht, dass Sie heute noch so sind«, fuhr sie fort. »Menschen können sich ändern. Sie müssen es, sonst gibt es für dieses Land keine Hoffnung. Tut es Ihnen leid, was Sie getan haben?«
    »Ja.«
    »Das sieht man Ihnen an. Im Gesicht. In Ihren Augen. Sie können es nicht verbergen.«
    Fegan hätte Marie gern angesehen, aber er konnte nicht. Er schob einen Finger durch die Dosenlasche und spürte ein leichtes Pieken an der Fingerspitze. Alle möglichen Worte tanzten vor ihm, er bekam sie jedoch nicht zu fassen.
    »Ich sollte jetzt besser gehen«, sagte er und stand von dem Bänkchen auf. Er trat aus dem winzigen Verschlag, wandte sich noch einmal um und duckte sich, damit er sie ansehen konnte. »Kann ich später noch mal bei Ihnen vorbeikommen?«
    Marie öffnete leicht den Mund und dachte über die Frage nach. »Ich weiß nicht recht«, sagte sie. »Eigentlich wollte ich nach dem Tee mit meinem kleinen Mädchen ein bisschen nach draußen, wenn das Wetter schön bleibt.«
    »Ich könnte ja mitkommen.«
    Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Nach einer kleinen Ewigkeit machte sie sie wieder auf und sagte: »In Ordnung, Sie können mit. Ich wohne in der Eglantine Avenue.«
    Dann gab sie Fegan noch die Hausnummer. Er lächelte sie kurz an und ließ sie dann in ihrer Nische zurück.

Der Staatssekretär des Nordirland-Ministers saß schon seit über zwanzig Minuten im Fond seines Wagens, und sie waren nicht einmal dreihundert Meter vorangekommen. Compton und der Fahrer saßen vorne und starrten auf die rückwärtige Front eines Busses. Das ständige Hupen und der Londoner Straßenlärm waren nicht eben angetan, Edward Hargreaves’ Kopfschmerzen zu lindern. Und als jetzt sein Mobiltelefon vibrierte, verschlechterte sich seine Laune umso mehr.
    Die Stimme erklärte ihm, der Chief Inspector sei am Apparat.
    » Geoff!«, rief Hargreaves.
    »Guten Tag, Sir«, meldete sich Pilkington.
    »Bitte sagen sie mir jetzt, dass wir in der Belfast-Sache vorangekommen sind.«
    »Ein wenig. Unsere Kollegen haben einen Mann eingeschleust, um herauszufinden, was da los ist.«
    »Und?«, fragte Hargreaves ungeduldig. Der Wagen rollte zwei weitere Meter an Downing Street heran. »Ich treffe gleich den Minister und den Premierminister und muss denen was sagen können. Was ist jetzt mit diesem Fegan?«
    »Wir wissen es einfach nicht, Sir. Die Indizien deuten auf ihn, aber McGinty behauptet etwas anderes. Er sagt, McKenna sei von den Litauern umgebracht worden und Caffola von meinen Männern.«
    »Haben Ihre Männer ihn denn kaltgemacht?«, fragte Hargreaves. Er kannte die Antwort schon, gönnte sich aber den Spaß, den Chief Constable zu piesacken.
    »Natürlich nicht, Sir. Er nutzt das für seine Propaganda und versucht, seine Position in der Partei zu stärken, indem er für Schlagzeilen sorgt. Vor ein paar Stunden hat er eine Rede gehalten und empfohlen, die Partei solle ihre Unterstützung für die PSNI zurückziehen, sofern nicht einige meiner Männer dafür baumeln. Was für eine Dreistigkeit! Als ob der das zu entscheiden hätte!«
    Hargreaves musst unwillkürlich grinsen angesichts der misslichen Lage, in der Pilkington steckte. »Ja«, sagte er. »Ich habe gerade eine Abschrift vor mir. Ein cleverer Bastard, dieser McGinty. Und die Unionisten tönen schon herum, dass sie den Stormont verlassen wollen. Das muss im Keim erstickt werden, Chief Constable. Wenn Ihr Mann die Sache nicht aufklären kann, müssen Sie sich auf Opfer einstellen.«
    Ein oder zwei Sekunden verstrichen, dann antwortete Pilkington: »Schlagen Sie etwa vor, ich soll zusehen, wie meine Männer des Mordes an Caffola bezichtigt werden, obwohl ich weiß, dass sie unschuldig sind? Sir, lassen Sie mich eines klarstellen: Ich werde nicht anständige Polizeibeamte den Wölfen zum Fraß vorwerfen, nur weil es politisch opportun erscheint. Wenn Sie glauben …«
    »Wie edel von Ihnen«, unterbrach ihn Hargreaves. »Politischer Opportunismus ist unser täglich Brot, Geoff. Das sollten Sie doch besser wissen als jeder andere. Wie viele kleine Übertretungen haben Sie nicht schon alles

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