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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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andere nach seinem Ohr, wie weitere ihn am Aufschlag seiner Jeansjacke packten. Die Fäuste, die auf ihn hinabregneten, kamen sich gegenseitig ins Gehege und waren dadurch praktisch harmlos. Er musste nur zur Deckung die Arme heben.
    »He, aufhören!« Ein schmächtiger Körper zwängte sich zwischen Campbell und die wütende Meute. »Lasst ihn in Ruhe! Ich habe ihn mitgebracht.«
    »Aber sieh doch nur, was er mit Eddie gemacht hat«, protestierte einer.
    »Eddie hat angefangen«, erklärte Patsy Toner. »Jetzt lasst ihn in Ruhe. In Ordnung?«
    »Aber…«
    »Schluss damit!« Toner hob dem Nächstbesten seinen kurzen Finger unter die Nase. Knurrend und fluchend zogen sie sich zurück. Toner packte Campbell am Ellbogen. »Komm schon, verdammt.«
    Campbell lächelte, während Toner ihn hinaus auf die Straße zog. Seine Sinne waren hellwach.
    »Was zum Teufel sollte das denn?«, fragte Toner, die wässrigen Augen und den Mund unter seinem dicken Schnurrbart ungläubig aufgerissen.
    »Er wollte es nicht anders.«
    Toner zog seinen schwarzen Schlips zurecht. »Himmel noch mal, Davy. Eddy Coyle ist ein Arschloch, das weiß jeder, aber deshalb musst du ihn noch lange nicht vor seinen Kumpels windelweich prügeln. Jedenfalls nicht, wenn du vorhast, dir hier Freunde zu machen.« Er drohte Campbell mit dem Finger. »Ich gehe ein großes Risiko für dich ein, vergiss das nicht.«
    Campbell deutete mit dem Kopf in Richtung des Jaguars vor der Tür. »Ist das deiner?«
    »Ja«, bestätigte Toner und schien um volle zwei Zentimeter zu wachsen.
    Campbell wischte sich mit einem Taschentuch das Blut von den Fingerknöcheln. »Also, dann hör auf zu kläffen und bring mich zu McGinty.«
     
    McGintys Jackett hing über der Stuhllehne, er hatte den Schlips gelockert und die Ärmel hochgekrempelt. Er stand im Wohnzimmer der trauenden Mutter, als sei dies sein Heim und er der Hausherr. Während er in sein Mobiltelefon sprach, wirkten seine Züge abwechselnd hart und windelweich. Er nahm einen letzten Zug aus seiner Zigarette und warf sie dann in den Kamin.
    Campbell und Toner warteten in der Tür und sahen zu. Toner lehnte sich zu Campbell und flüsterte: »Scheint Ärger zu geben. Ich glaube, den hohen Tieren hat es nicht gefallen, was er auf der Beerdigung gesagt hat.«
    Bevor Campbell antworten konnte, klappte McGinty sein Telefon zu und winkte Toner mit düsterem Gesicht herbei. Während sie sprachen, warfen sie beide verstohlene Blicke zu Campbell hin, aber ihre Augen waren nicht die einzigen, die auf dem verlorenen schottischen Sohn ruhten. Die im Raum verstreuten Überreste verrieten, dass hier noch vor einer Weile eine Menge Leute gewesen waren, aber inzwischen waren nur noch ein paar übrig. Sie alle beobachteten Campbell, als könne der sonst unbewachte Wertgegenstände mitgehen lassen. Toner zwinkerte ihnen wichtigtuerisch zu.
    Als Campbell zu ihm trat, streckte McGinty die Hand aus. »Freut mich, dich zu sehen, Davy.«
    »Mich auch, Mr. McGinty«, antwortete Campbell und erwiderte den festen Händedruck des anderen.
    »War wohl zu langweilig, sich immer nur mit McSorley und seinem dreckigen Gesindel zu besaufen, was?« McGinty grinste breit, aber seine Augen blieben kalt.
    »Die wussten selbst nicht, was sie wollten«, sagte Campbell. »Da wäre ich mal besser weggeblieben.«
    McGinty drückte noch fester zu. »Das stimmt, Davy, wärst du mal besser. Das hat eine Menge Leute verärgert, ganz besonders den seligen Dahingeschiedenen.«
    Campbell befreite seine Hand. »Genau das war auch der Grund. Als ich das mit Michael gehört habe, hat mich das ans Nachdenken gebracht. Ich habe einen Fehler gemacht. Es tut mir leid, Mr. McGinty. Wenn ich irgendwas tun kann, um es wieder gutzumachen, dann mache ich es.«
    McGinty nickte. »Ich verstehe das schon, Davy. Du bist eben ein Mann der Tat. Du willst immer mitten im Geschehen sein. Ich war früher auch mal so, deshalb kann ich dir das nachfühlen. Für dich war hier bei uns nicht mehr genug los, also bist du losmarschiert und hast dir mal angeschaut, was die Dissidenten so auf die Beine stellen. Ganz schöne Enttäuschung, was?«
    »Und was für eine«, sagte Campbell und erwiderte McGintys entspanntes Lächeln. »Die hockten immer nur rum, besoffen sich und redeten darüber, was sie demnächst machen würden.«
    McGinty nahm sein Jackett von der Lehne und zog es an. Er legte Campbell den Arm auf die Schulter und führte ihn zur Küche. »Lass uns mal ein bisschen frische Luft

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