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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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zurückzublicken, lief er durch den Flur, wo die unruhigen Schatten warteten. Sie ließen ihn durch und scharten sich um ihn, als er die Haustür öffnete und auf die Straße trat.
    Die drei Briten kamen zu ihm und starrten über seine Schulter hinweg das Haus an. Sehnsüchtiger Hass lag in ihren Gesichtern.
    »Nein«, erklärte Fegan. Er überquerte die Straße. Dem Haus des Priesters gegenüber lag eine schmale Gasse. Fegan und seine neun Verfolger wurden von der Dunkelheit verschluckt. Er legte den Kopf an die Mauer, die Backsteine kühlten seine Stirn.
    »Himmel, er verdient es einfach nicht«, sagte Fegan.
    Die drei Briten zeigten hinüber zur Tür.
    »Mein Gott, er hat doch gar nichts gemacht.«
    Oben im Haus des Priesters ging kurz das Licht an, dann erlosch es flackernd wieder. Die Briten traten hinaus auf die Straße und deuteten hinauf ans Fenster.
    »Ich habe ihm doch damals gar keine andere Wahl gelassen.«
    Die Briten gingen zur Tür, und einer legte sein Ohr dagegen. Die Frau trat ins orangefarbene Licht der Straßenlaternen und streckte den Arm zum Fenster aus. Der Metzger trat neben sie, dann auch der Polizist und die beiden UFF-Männer.
    Fegan folgte ihnen.
    »Er hat sich gefürchtet«, fuhr er fort. »Na schön, er hätte die Sache stoppen können, aber ich habe ihm schließlich Angst eingejagt. Er weiß ja, dass er Fehler gemacht hat, das wisst ihr doch. Ihr habt es selbst gehört.«
    Die Frau trat näher zu ihm, ihre Augen funkelten. Fegan sah hinab auf das Baby in ihren Armen. Es starrte zurück, sein zahnloses Mündchen war wutverzerrt.
    »Herrgott!« Fegan lief wieder zurück in den dunklen Hafen der Gasse und hielt sich die Augen zu. »Lasst mich endlich in Ruhe. Ich kann es nicht tun.«
    Er griff in sein Kreuz und zog die Walther aus dem Hosenbund. Dann lud er durch und steckte sich die Mündung zwischen die Zähne. Der Lauf war kühl und glatt. Einen Moment lang fragte er sich, was es wohl für ein Gefühl sein würde, wenn sein Kopf explodierte Dann drängte sich ein anderer Gedanke in den Vordergrund.
    Er dachte an Ellens kleine Hand und wie rein sich seine Haut angefühlt hatte, wo ihr Fäustchen seine Finger umklammert hatte.
    Er dachte daran, wie die Sonne die goldenen Tupfer in Maries Haar hervorgehoben hatte. Und er dachte an das Versprechen, das er ihr gegeben hatte: dass er sie vor McGintys Drohungen beschützen würde.
    Zögernd nahm Fegan die Pistole aus seinem Mund. Er entfernte die Patrone aus der Kammer und ließ sie in seine Tasche gleiten, wo schon der Schlüssel des Priesters war. Als er wieder aus der Gasse hervortrat, starrten seine neun Verfolger ihn an. Er steckte die Walther zurück in den Hosenbund und machte sich auf den Heimweg, Die Briten überholten ihn und zeigten wieder auf das Haus des Priesters.
    »Nein«, beschied sie Fegan. »Den nicht.«
    Sie schrien schon, noch bevor er bei sich zu Hause angekommen war. Ihr Schmerzensgeheul hallte durch die Straßen, und Fegan fragte sich, wie die Stadt bei dem Höllenlärm nur schlafen konnte. Kaum war er im Haus, marschierte er, ohne das Licht anzumachen, sofort zum Sideboard mit der Flasche Jameson’s. Er drehte den Verschluss ab und setzte sich die Flasche an den Mund. Er war beim fünften kräftigen Schluck und versuchte gerade, den durch den brennenden Schnaps verursachten Brechreiz zu unterdrücken, da fing der Säugling an zu schreien.

Spät am nächsten Morgen wachte Fegan auf und stürzte sofort ins Badezimmer, um sich zu übergeben. Er hatte in der Nacht fast die ganze Flasche Whiskey ausgetrunken. Das rächte sich nun. Am liebsten wäre er zurück ins Bett gekrochen, hätte sich die Decke über den Kopf gezogen und gewartet, bis die Übelkeitswellen seines Katers abebbten. Aber er musste ein Mobiltelefon kaufen.
    Auf wackeligen Beinen begab er sich in einen Supermarkt und vermied es, seinen stieren Blick auf die morgendlichen Schatten zu werfen. Bei jedem Schritt spürte er Augen auf seinem Rücken. Manchmal drehte er sich überraschend um und wollte sehen, wer ihm da folgte. Dabei wusste er es eigentlich.
    Campbell, vermutlich im Auftrag von McGinty.
    Einmal, als er gerade sein billiges Telefon bezahlte, blickte er kurz auf und erhaschte gerade noch einen flüchtigen Blick auf jemanden in Jeans, der sich hinter ein Zeitschriftenregal duckte. Auf dem Nachhauseweg überlegte Fegan kurz, ob er stehenbleiben, zurücklaufen und Campbell zur Rede stellen sollte, doch dann kam er sich dabei dämlich vor. Mit

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