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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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seiner Mutter gewesen Er hatte noch das Blut der beiden Loyalisten an den Händen gehabt.
    Pater Coulter winkte ihn heran. »Komm her zu mir, mein Sohn.«
    Fegan starrte in sein Glas. »Nein.«
    Der Priester lehnte sich vor, ergriff wieder Fegans Hand und zog sanft daran. »Nun komm schon. Tu es, um das Gewissen eines alten Priesters zu erleichtern.«
    »Nein«, sperrte Fegan sich erneut, riss sich aber nicht los. Er setzte das Glas auf dem Tisch ab.
    »Tu es für deine Mutter, Gerry.«
    Fegan rutschte vom Stuhl und ließ sich von Pater Coulter an seine Seite führen. Dort kniete er sich hin. Er legte die Unterarme auf den Stuhl und faltete die Hände. Eine Minute verging, in der das Ticken der Uhr das höllische Hämmern in Fegans Schläfen übertönte.
    Pater Coulter neigte leicht den Kopf. »Weißt du nicht mehr, was du machen musst?«
    »Ich habe Angst, Pater.«
    Der Priester wandte sich auf seinem Stuhl zu ihm um und umfasste mit seinen Händen die von Fegan. »Hab keine Angst. Sag einfach …«
    »Vergib mir Vater, denn ich habe gesündigt.« Pater Coulter ließ Fegans Hände los. »Meine letzte Beichte war vor neun Jahren.«
    Pater Coulter wartete ein paar Sekunden. »Sprich weiter.«
    »Lange Zeit habe ich versucht, ruhig zu bleiben. Ich habe versucht, ruhig zu bleiben und nicht drauf zu achten. Aber sie gehen nicht weg.«
    »Wer geht nicht weg?«
    »Die Menschen, die ich getötet habe.«
    Der Priester nickte. »Schuld ist das mächtigste all unserer Gefühle. Sie kann einen auffressen, wenn man es zulässt. Hast du diese Sünden schon einmal gebeichtet?«
    »Ja, Pater. Im Gefängnis.«
    »Dann hast du die Absolution. Aber die Schuld bleibt natürlich bestehen. Diese Bürde musst du tragen. Das ist deine Strafe, nicht irgendwelche Gebete. Du musst sie tragen und damit leben, ganz gleich, wie quälend es auch sein mag.«
    »Pater.« Fegan zögerte und kniff die Augen zu. Er presste die Lippen zusammen und stieß die Luft aus, dann machte er die Augen wieder auf. »Ich habe noch zwei Männer getötet, Pater.«
    Der Priester schrak in seinem Stuhl hoch.
    »Wann?«
    »Diese Woche.«
    »Diese… diese Woche?«
    »Ja.«
    »O Gott, Gerry. O lieber Gott.«
    »Ich wollte es nicht. Ich schwöre bei Gott, dass ich es nicht wollte.«
    »O mein Gott! Michael McKenna? Und Vincie Caffola?«
    »Ja, Pater.« Fegan presste seine gefalteten Hände an die Stirn. »Gütiger Himmel, warum?«
    Fegan sah auf. Coulter starrte ihn fassungslos an. »Weil ich musste.«
    »Was soll das heißen?« Der Priester schüttelte den Kopf.
    »Ich habe der Mutter gesagt, wo ihr Junge liegt. Ich dachte, das wäre alles, danach würden sie mich in Ruhe lassen. Dann hat Michel es herausgefunden. Er ist zu mir gekommen und hat gedroht, er würde es McGinty sagen, wenn ich nicht machte, was er wollte. Dann hat mir der Junge gesagt, was ich tun muss, und ich habe es gemacht.«
    »Was für ein Junge? Wovon redest du denn. Gütiger Himmel, Gerry, das ist doch Wahnsinn.«
    »Und dann Vincie. Er hat mich bedrängt und mir alle möglichen Fragen gestellt. Und die Männer von der UDR die wollten ihn haben und ich …«
    »Hör auf!«
    »Ich musste ihn…«
    »Nein!«
    »Ich musste ihn ihnen geben.«
    »Genug!« Pater Coulter schlug sich mit den Fäusten auf die Schenkel. »Genug! Ich will nichts mehr davon hören.«
    Fegan schloss die Augen. »Es tut mir leid, Pater.«
    Ein langes Schweigen folgte. Das Ticken der Uhr jagte einen Schlag nach dem anderen in Fegans Schläfen. Ihm wurde immer kälter.
    Nach einer kleinen Ewigkeit flüsterte Pater Coulter: »Das Sakrament der Buße ist mein Fluch. Was habe ich nicht alles wegen Männern wie dir ertragen müssen. Es ist wahrhaftig ein Fluch.«
    Er senkte den Kopf und machte das Kreuzzeichen. »Gott, der barmherzige Vater hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und Frieden. So spreche ich dich los von deinen Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.«
    Fegan fragte: »Und meine Buße, Pater?«
    »Deine Buße?« Pater Coulter setzte ein mattes, trauriges Lächeln auf. »Es ist dieselbe wie schon vorher. Sie wird es immer sein. Es ist die Last deiner Schuld, Gerry. Sie ist deine Buße.« Der Priester wandte sich ab. »Und jetzt raus hier«, verlangte er.
    Fegan blickte ihn noch einen Moment lang an, dann stand er auf. Ohne noch einmal

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