Die Schatten von La Rochelle
m al, Mada m e, begegnet m an Menschen, die das Schicksal für einen darstellen, und man weiß es. Ich hatte das Glück, nicht nur eine, sondern zwei solcher Begegnungen zu haben. Die eine fand sta t t, als man m i ch nach Lyon schickte, um m it d e m Ersten Minister von Frankreich zu verhandeln. Die andere, als m i ch dieser Er s t e Minister der Königin seines Landes vorstellte.«
Sie blieben stehen. Anne sah ihn an. Schneidende W orte der e m pörten Zurückweisung lagen ihr auf d e r Zunge, aber dort blieben sie auch. Sie erinnerte sich an ei n en anderen Spaziergang m it einem anderen Kardinal und an ihre jugendliche Entrüstung da m als.
Wie kann er es wagen! Die Kreatur dieser vulgären Frau, ein Priester, ein Emporkömmling…
Es war undenkbar gewesen. Aber jetzt hatte das Rad des Schicksals seine U m d r ehung vollendet; noch ein m al stand sie am Anf a ng, und, nicht wissend, ob zu M a zarin oder zu Richelieu, hörte sie sich sagen:
»Ich verstehe.«
Er küßte ihre Hand. D a m it war der seltsa m e Augenblick beendet; er fiel in die Rolle des auf m erks a m en Höflings zurück, und sie nah m en ihren Spaziergang wieder auf.
» W enn Ihr Seine E m inenz, den Er st en Minister, wiederse h t « , sagte die Königin, »dann könnt Ihr ihm die Kopie eines Vertrages aushändigen, der ihn interessieren wird.«
Für Paul hatte es nicht n ur Vorteil e , Musketier zu sein. Es war jetzt im m ens wichtig, a lle T eilneh m er des Spiels im Auge zu behalten, und seine Dienstverpflichtungen m a c h ten das zu m i ndest für gewisse Zeitspannen un m öglich. Zum Glück, d achte er, während er m it der Übung langer Jahre sein Äußeres ver ä nderte, ohne einen S piegel in Anspruch neh m en zu müssen, war es nie sehr schwer, C inq Mars aufzuspüren. Monsieur le Grands Vorstellungen von Diskretion bestanden darin, seinen Dienern nic h t m itzuteilen, wohin er ging, und seine höfische Pracht unter einem schlichten Umhang zu verbergen.
Fontrailles stellte da schon eine größere Herausforderung dar, doch er würde ni cht derje n i g e sein, d er d ie endg ü lti g en Befehle gab. Seit der bucklige Marquis zu d e m königlichen Zug gestoßen war, hatte sich Cinq Mars, statt Paul erneut anzusprechen, völlig zurückgehalten. Der Gr u nd ließ sich erahnen, re fl ekti e rte der unau ff ällige, dickliche Knecht, während er durch d i e S t älle ging, o h ne beac h tet zu werden; aber man brauchte Gewißheit.
Er fand Cinq Mars ohne weitere Verzögerungen; der Günstling des Königs unterhielt sich leise m it e i nem der königlichen Sänftenträger. Hervorragend, dachte P aul, währe n d er m it den schwerfälligen Bewegungen eines Mannes um die Fünfzig, der sein ganzes Leben lang schwer gearbeitet hatte, das nächs t stehende Pferd fütterte, ohne die beiden aus dem Auge zu verlieren. W ie wunderbar verläßlich die Menschen doch sind.
Marie war gerade dabei, die V o rbereitungen für die m orgige W eiterreise nach Tarascon zu treffen, als sie in dem dichten Knäuel aus Lakaien, Mägden, Schreibern und Höflingen eine stetige Bewegung wahrnah m . Dann stand Paul vor ihr, in seiner Unifo r m . S i e wußte sofort, daß sein Erscheinen nichts m i t ihr zu tun hatte.
»Mada m e«, sagte er, »wir haben n i c ht vi e l Zeit. Besucht Eu e r Onkel heute den König ? «
» W aru m …«
»Vertrauen«, sagte er. »Schönheit. Erlösung. Wenn Ihr das wirk li ch g l au b t , Ma ri e, w e n n I hr g l au b t , d aß e s mö gli ch i s t , d i e V e r gangenheit zu ändern, dann vertraut m i r jetzt.«
Alles, was s eit ih r er er st en Beg e gnung im Louvre geschehen war, stand zwischen ihnen. S i e erinnerte sich an den Place d e Greve, aber sie erinnerte sich auch an die Magnolien und Ka m elien. Es war ihr un m öglich, zu sprec h en, aber sie nickte.
» W ann ? «
Die W orte lösten sich endlich.
»Um die Mittags s t unde . «
»Gut«, sagte er.
Als sich d i e Menge wieder hi n t er ihm geschlossen hatte, spürte sie etwas Feuchtes an ihren Händen. S i e schaute herab und stellte fest, daß sich ihre Nägel so tief in das F l eisch gegraben hatten, daß Blut ausgetreten war.
Louis gelangte m ehr und m ehr zu der Überzeugung, daß der Einfall m it Perpignan kein guter gewesen war. Die Reise hatte ihn krank ge m acht, und als m an ihn in seiner S änfte zu seinem Ersten Minister trug, der ebenfalls nicht i m stande war, zu laufen, stand ihm wieder das unhei m liche Bild vor Augen, das ihn seit
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