Die Schatten von La Rochelle
wie konnte er sicher sein, daß den b e iden ihre Flucht nicht doch geglückt war? Es würde dem Kardi n al ähnlich sehen, ihm a uf diese Weise belastende Aussagen entlocken zu wollen. Es sei denn… Aber nein. Das war zu unwahrscheinlich.
»Ich glaube noch im m er nicht, d a ß Ihr e t was a n deres als ein Geständnis von m ir wollt«, sagte de T hou, während er überle g te, »aber nur für den Fall, daß ich m i ch i rre… und angenom m en, es hätte ein Plan bestanden, Euch zu er m orden… läge der Grund nicht auf der Hand? Auch Euch m angelt es weder an Vernunft noch an Vorstellungskraft, Monseigneur. Die Geschic h te lehrt uns, daß es manch m al für Männer von Ehre, die ihr Land lieben, keinen anderen Weg gibt, als es durch eine unehrenhafte T a t von einem Tyrannen zu befreien.«
»Ich verstehe«, entgegnete der Kar d inal. »Ihr seht Euch als B rutus. Das m acht m i ch zum Caesar, also s ollte ich m ich gesch m eichelt fühlen. Aber E ure unehrenhafte Tat bes t and aus etwas m ehr als ein paar Dolchstichen, de Thou.«
Mehr und mehr war der Sarkas m us in seinem Tonfall Kälte gewichen. De Thou hatte gehört, daß der Kardinal gelegentlich zu erschreckenden W utausbrüchen i m stande war, doch da er ihn immer nur in Ausübung von Staatsfunktionen erlebt hatte und ihm eher zu wenig als zu viel Gefühl zutraute, hatte er es nicht geglaubt. Jetzt konnte er n i cht ver h in d ern, daß seine Haut s i ch unwillk ür lich zusam m enzog, als die schneidende, z or nige Stim m e f ort f uhr:
»Ihr wäret bereit gewesen, eine spanische Ar m ee ins Land zu holen und ihnen halb Frankreich in den Rachen zu werfe n ! Das ist nicht m ehr jugendliche T o r h eit, d a s i s t Verrat d er schlim m sten Sorte, Monsieur. W ißt Ihr, was m an in Spanien dafür m it Euch tun würde? Man würde Euch Euren adligen Rang aberkennen und Euch vierteilen lassen, aber nicht, ohne Euch vorher gefoltert zu haben.«
De Thou glaubte zu begreifen. »Ich werde auch unter der Folter nicht m ehr sagen.«
Der Kardinal m usterte ihn noch einen Mo m ent lang, dann bedeutete er sei n en Wachen, die Tür wieder zu öffnen. »Es scheint, ich habe Euch überschätzt. Ich hoffe, die A u ssicht, heroisch zu sterben, i s t Euch ein gebührender T r ost, de Thou.«
Er hätte es nicht für möglich gehalten, doch aus irgendeinem Grund hatte de Thou das Gefühl, bei diesem G e spräch den kürzeren gezogen zu haben, ganz abgesehen davon, daß ihn der Vorwurf des Verrates stärker traf, als er erkennen ließ.
»Monseigneur«, rief er dem Kardi n al nach, um den schlechten Gesch m ack der Niederlage aus seinem Mund zu vertreiben, »ich hoffe doch, Ihr habt Euren Handlanger, d e r uns ans Messer geliefert hat, gebührend belohnt ? «
Der Kardi n al dre h te si ch noch ei n m al u m . Sein Gesic h t wurde durch den S chatten, den die geöffne t e Tür warf, scharf in zwei Hälften geteilt.
»Ich weiß n icht, wen I h r m eint«, sagte er langsa m . »Aber falls I h r Euch auf den Musketier beziehen solltet, der so zuvorkommend war, m i r das Leben zu retten, dann wäre ich Euch für nähere A uskünfte dankbar. Der Mann scheint den Dienst Seiner Majestät nä m lich quittiert zu haben, ohne W ert auf eine Belohnung zu legen.«
»Ihr wißt genau, daß ich Euch nichts sagen werde, was m an als Geständnis auslegen kann.«
»De Thou«, erwiderte der Kardi n al, und Auguste de Thou m einte, leise Belustigung herauszuhören, » I hr habt m i r schon längst alles gestanden, was ich wis s en wollte.«
35. KAPITEL
Es war eine Erleichterung, wieder in Paris zu sein. Marie hätte Rueil vorgezogen, aber sie versta n d, warum es das Pal a is Cardin a l sein m ußte. Außerdem war sie seit Tarascon davon überzeugt, daß Gott auf ihrer Seite stand und sich alles zum Guten wenden würde. Sogar die f ortschreitende Krankheit ihres Onkels belastete sie nun weniger; er würde genesen, jetzt, wo fast alles vorbei war und keine Albträu m e m ehr nachts auf ihn warteten.
Nichtsdestoweniger achtete sie darauf, daß er zu seinen Ruhestunden ka m . Le Masle und die übrigen hatten län g st g e ler n t, ihr zu g ehorchen, und fügten sich ohne weiteres, wenn sie sie bat, zu gehen; Mazarin wußte selbst, w ann es nötig war.
Das einzi g e, was sie in d iesen T a gen wirklich bedrückte, waren die Zusammenkünfte m it der verwitwet e n Marquise d’Effiat und ihrer Tochter, Cinq Mars’ Mutter und der Schwester, die denselben Na m en trug wie sie und m
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