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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ist.«
    Er setzte die Tasse ab. »Muß sich in dieser Fa m ilie denn all e s wiederholen!« stieß er heftig hervor. Si e entspannte sich etwas und trank ihren Tee.
    »Marie«, sagte er, »könnt Ihr E u ch überhaupt vorstellen, w as das Leben in einem Kloster bedeutet ? «
    »Die Hingabe an Gott. Die Aufgabe des eigenen Selbst.«
    Letzteres a u szusprec h en stellte sich als Fehler h eraus; sie h a tte ihm da m it m ehr gesagt, a ls sie eigentl i ch wollte. Sei n e nächste Fr age kam völlig übe rr aschend und riß d en Sc h utzwall, den sie um sich erricht e t hatte, nieder.
    » W as ist es, das Ihr so sehr fürchtet, ma nièce?« f r agte er lei s e. »Es ist nicht m ehr die Ehe an sich, nicht wahr ? «
    Ihre Hände zitterten; sie begann unwillkürlich, ein loses Haar, das auf ihren Schoß gefallen war, um d e n Finger zu rollen.
    »Nur zum Teil, Mon s ei g neur«, erwi d erte s ie e b e n so lei s e.
    »Ich fürchte m ich vor de m , w a s ich tun könnte, wenn noch ein m al einem anderen Menschen solche G e walt über mich gegeben ist. Ich fürchte m i ch vor de m , was ich getan habe. Ich fürchte m i ch vor d e m Wahnsinn, Monseigneur.«
    Mord war Mord, und daß sie noch immer nicht in der Lage war, ihre Tat zu bereuen, be w ies, daß et w as m it ihr nicht stim m te. Marie hatte in je ne r Nacht zum er s t en m al erkannt, wozu sie fähig war. Sie wußte nicht, ob der Haß gegen Ant o ine du Rou r e oder die Fa m ilienkrankheit sie dazu gebracht hatte, aber sie vermutete, daß das eine untrennbar m it d e m anderen z u sammenhing. Während des langen Sterbens ihres Ge m ahls hatte sie eine unsichtbare Grenze überquert, und die Vorstellung, nicht m ehr zurückkehren zu können, suchte sie m it quälender Deutlichkeit hei m .
    »Das tue ich auch«, sagte er, und sie erkannte, daß auch seine Schutzwälle gefallen waren. »Und ich habe m ehr Grund dazu, als Ihr ahnen könnt. Aber es w i rd nicht geschehen, ma nièce. Euch nicht, und m i r auch nicht.«
    So schnell, wie er sich ihr geöffnet hatte, zog er sich wie d er zurück. »Doch das ist kein Grund, um Nonne zu werden«, fuhr er sachlich fort. »Ich habe einen anderen V orschlag für Euch. I h r w i ßt v i elleicht, daß bereits seit einem Jahr zwei Kardi n alshüte in F r ankreich frei sind.«
    Sie wußte e s; e i nes d er letzten Dinge, m it denen ihr Gemahl sie noch verhöhnt hatte, ehe er in den Krieg zog, war der Ausspruch seines Onkels Luynes: »Wenn Monsi e ur de Luçon als Kardinal no m iniert wird, dann ist es gut. W enn nicht, dann ist es besser.« Da die Krone von Frankreich ein Vorschlagsrecht hatte, was den Kardinalshut für französische Bischöfe angi n g, war er da m als nicht no m i niert worden. Statt dessen hatte m an den Erzbischof von Toulouse zum Kardinal ge m acht. Aber der zweite Hut… Sie begriff.
    »Meinen G l ückwunsch«, sagte sie und fügte schweigend hinzu: Aber was hat das m it m i r zu tu n ?
    »Noch ist es nicht soweit. Doch es scheint, daß der König nun m ehr geneigt ist, m ich zu no m inieren. Das bedeutet natürlich auch, daß m ein Haushalt sich enorm erweit e rn wird. Ich hasse Unordnung, und ich habe be m erkt, Nichte, daß Ihr eine ähnliche Abneigung hegt. Wenn Ihr zu m i r kom m t, dann können wir uns gegenseitig helfen. Gegen das Chaos.«
    Sie wußte, daß er nicht von H a ushaltsführung sprach. Mit einem letzten Rest von Mißtrauen sagte sie: »Und wenn Ihr später entscheidet, daß Euch ein Bündnis durch Heirat doch wichti g er ist, Monseigneur?«
    Der Augenblick der völligen Off e nheit war vorbei; dennoch glaubte s i e ih m , als e r i h r a n twort e t e : »Ich schwöre Euch, daß ich Euch nie m als zwingen werde, etwas gegen Euren W illen zu tun, Marie.«
    So begann ihr ge m einsa m es Leben.
     

III
D IE V ERSCHWÖRER
     
    Des Menschen Herz vereint in sich so viele Gegensätze (… ) . Es ist das reinste Chamäleon; betrachtet man es von verschiedenen Seiten, so zeigt es die mannigfaltigsten Farben, und doch gehören sie alle ein und demselben Ding an.
      
    Ninon de Lenclos: Briefe
     

8. KAPITEL
     
    Es wurde, stellte Raoul d’Irsd m asens für sich fest, im W inter entschieden zu schnell dunkel. Schließlich hatte es noch nicht lange vier Uhr geschlagen, und schon ließ sich das Flugblatt, das er auf d e m Place Dau p hine erwor b en hatte, kaum m ehr entziffern. Seine Finger schwärzten sich an den frischen Druckbuchstaben, als er es glattstrich und laut die Überschrift las: »DER TREUE

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