Die Schatten von La Rochelle
nicht hier, wo sich in Kürze ein Unbekannter zu ihr ins Bett legen würde.
Über diesen Aspekt der Ehe hat t e sie ab s ichtlich so wenig wie möglich nachgedacht. Insgeheim hatte sie gehofft, den Mann, der sie auf so intime W eise berühren würde, zu m indest vorher näher kennengelernt zu haben.
»Aber, Marie«, sagte Nicole, die z e r stre u te Nic o le, die son s t nichts be m erkte, »das ist doch kein Grund zum Weinen.«
Weinen? E n tsetzt e n tdeckte Marie, daß sie tatsächlich Tränen in den Augen hatte. Hastig fuhr sie sich m it den Handrücken über die Lider. Margot fing ihre Hände ein.
»Mach dir keine Sorgen«, flüsterte sie, »er wird so überwältigt von deiner Schönheit sein, daß er auf d e r Stelle niederkniet und dich anbetet M a rie Marie Marie Madeleine.«
Dann küßte sie Marie auf den M und und verschwand. Die anderen Frauen folgten ihr bald. Es dauer t e nicht lange, bis sie Sc h ritte v o r der Tür hörte; Schritte von m ehreren Männern. »Also dann, Antoine«, sagte einer der Freunde oder Verwandten ihres Ge m ahl s , »zeigt Euch gerüstet für die Gelegenheit. Möget Ihr einen W einberg und keinen Stechginster vorfinden!«
Es waren alles r echt g ewitzte W o rtspiele m it ihrem Na m en, de Vignerot vigueur, Rüstigkeit; vignoble, W einberg; vignon, Stechginster , die außerdem noch eine Alliterati o n erga b en, aber d i e nächste ge w ollt geistreiche Be m erkung vertrieb beinahe die Angst durch den Zorn, den sie weckte. »Möge die Brücke von Courlay i mm er weit, breit und offen sein!«
In dem allgemeinen Gelächter f r agte sie sich, ob Hochzeiten immer m ehr zum Vergnügen der Gäste als zur F r eude des Brautpaares da waren. Dann öffnete sich die Tür, wurde wieder geschlossen; er kam näher, und die Bettvorhänge wurden zurückgezogen.
Sie war e n t s chlossen, ke ine Furc h t zu zeigen, und schaute ihm ins Gesicht. Er war, wie sie schon w ä hrend der Trauung b e m erkt hatte, ein gutaussehender junger Mann, aber die Augen, m it denen er sie anstarrte, waren kalt.
»Nun denn, Mada m e«, sagte er g l eichgültig, »bringen wir es hinter uns.«
Es war so schnell vorüber, daß sie erst später registrierte, daß er sich noch ni cht ein m al d ie Mühe ge m acht hatte, sich v ö llig auszuziehen. Er rollte sich neben ihr zur S e ite und schlief fast auf d e r Stelle ein. Es war die sc h limmste Nac h t ihres Lebens, weniger des kurzen, sch m erzhaften Aktes als des entsetzlichen Gefühls des Zurückgewi e senwerdens wegen. Sie wußte nicht, was sie f al s ch ge m acht hatt e ; sie war, was den Vollzug der Ehe anging, nur über das W i chtigste unterrichtet worden und eigentlich noch recht unwissend, aber soviel ahnte sie: Es sollte eigentlich m ehr sein als das.
6. KAPITEL
Die näch s t en W ochen erschie n en i h r wie eine einzige lan g e, albtrau m hafte Ausdehnung der Hochzeitsnacht. E s wäre viel leichter gewesen, wenn ihr G e m a hl sie gehaßt hätte; m it Haß war sie vertraut. Aber sie b egriff sehr schnell, daß sie ihm schlicht und einfach gleichgültig war. Er er f üllte hin und wieder seine Pflicht, und bald be m erkte sie, daß er es dem K a lender ents p rec h end tat, i mm er montags. Tagsüber wußte sie häufig nicht ein m al, wo er sich befand.
Anfangs bemühte sie sich, wie es i h r beige b rac h t worden war, eine gute Ehefrau zu sein und zu versuchen, ihn für sich zu gewinnen, aber da gab es nichts zu gewinn e n. Sie wußte im m er noch n i cht m ehr von ihm als an dem Tag, an dem sie ihn geheiratet hatte.
Nach einem Monat, in dem sie so hilflos wie selbst als Kind nie gewesen war, fing sie sich wieder. Ihr Stolz rettete sie. Es war nicht zu übersehen, daß Luynes seinem Neffen ein recht verfallenes Haus zur Verfügung gestellt hatte, und s i e ordnete Renovieru n gsarbeiten an. Die Bediensteten sc h i enen willk ü rlich einge st ellt worden zu sein; lediglich die Pferdeknechte hatten ihrem G e mahl schon länger gedient. Einem Haushalt vorzustehen war ihr nichts Neues. Sie hatte sich um ihr e n Vater ge k ü m m ert, seit die Fa m ilie nach Avig n on u m gesiedelt w ar. Sie entließ ein paar Diener, organisierte die Dienstpflichtaufteilung bei den übrigen n e u und m a c hte sehr schnell deutlich, daß ihr Alter nicht auf m a ngelndes Durchsetzungsver m ög e n hoffen ließ.
D a m it erregte sie die Auf m erks a m keit einiger weiblicher Verwandter ihres Ge m ahls, die si e besuchten. Mada m e du Roure, eine
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