Die Schatten von La Rochelle
unverheiratete Tante, die sich der F ö rderung der Künste wid m ete und einen Salon unterhielt, bat sie im m er öfter zu sich, und auf diese Art hatte sie sich bald einen e i genen Bekanntenkreis geschaffen.
Marie hätte so weiterleben können, aber zu ihrem Unglück geschah etwas Unerwartetes. Antoine du R oure hatte einige Freunde unter den Poeten, und als ihm nun von vielen Seiten i mm er wieder zu Ohren ka m , wie klug, geistreich, schön und tatkräftig seine junge Ge m ahlin sei, ja als sogar sein Onkel Luynes ein m al augenzwinkernd m einte, er könne sich w ahrhaftig nicht beklagen, fing er an, sich das Mädchen, das m an ihm an den Hals geworfen hatte, doch näher anzusehen.
Er stellte fest, daß sie vielleicht ein wenig zu schlank, ansonsten aber wirklich hübsch war. Der Sie u r de Co m b a let hatte es anfangs für eine Zumutung gehalten, ein Mädchen zu heira t en, das vom zum Bea m tenadel aufgestiegenen B ü rgertum und von Provinzjunkern abstam m te und seine Mit g ift der auf zweifelha f te Art erworbenen Gunst der K önigin m utter verdan k te. Aber er h a tte sich d en F a m ilienint e ressen g eop f ert und beabsic h ti g t, das Provinzgänschen so bald wie m öglich zu schwängern und dann dahin abzuschieben, wo es hingehörte auf das Land.
Nun, da sie in der Tat überraschend reizvoll war, konnte er sich da m it doch etwas Zeit lassen. Er b e gann, ihr ein wenig den Hof zu m achen, und war erst überrascht, danach verärgert, als sie überhaupt nicht darauf reagierte.
»Mada m e«, sagte er eines Tages, nachdem seine Ko m p l i m ente wieder ei n m al an ihrer eisigen H öflichkeit abgeprallt waren, »Ihr könntet ruhig ein wenig m ehr W ä r m e Eurem G e m ahl gegenüber zeigen.«
Marie war im ersten Mo m ent sp r ac hlos. Ihre a n f ängliche Verwirrung und Verletztheit ihm gegenüber waren längst in solide Abneigung übergegangen. Dann sagte sie: » I ch folge nur Eurem Beispiel, Monsieur. Macht das nicht eine gute Ehe aus ? «
Er lachte. »Ach, seid Ihr gekränk t , weil ich Euch nicht oft genug in Eurem Bett aufgesucht habe? Seid beruhigt, das wird sich ändern.« D a mit begann der schlimmste Teil ihrer Ehe. Antoine du Roure war kein sensibler Mensch, aber er m erkte sehr wohl, daß sie ihn nicht m ochte und infolgedessen auch nichts bei seinen jetzt ausgedehnteren ehelichen Bemühungen emp f and. Da er nun aufrichtig an ihr int e res s iert war, kr ä nkte sie i hn da m it zutiefst. Es begann sich bei ihm zu einer Besessen h eit auszuwa c hsen, ihr doch noch eine Reaktion zu entlocken; und schließlich entdeckte er einen W eg dazu.
Als er wieder ein m al be m erkte, d a ß sie die Augen geschlossen hielt und anscheinend nur darum betete, er m öge bald zu einem Ende kom m en, sagte er bösartig: »Möchtet I h r v i ell e icht ein Buch, um Euch inzwi s chen die Zeit zu vertr e i b en? B e i Gott, eine so k a lte Hure wie Ihr ist m ir noch nicht begegnet!«
Sie zuckte zusam m en. Danach begann er, sie immer öf t er zu belei d igen; bald jed e s m al, wenn er m it i h r schlie f . » Liegt es vielleicht an Eurer Herkunft? Ich kann kaum glauben, daß Eu e r Ehrgeizling von Onkel es fertiggebracht haben soll, die alte it a lie n ische Vettel zu b e stei g en, ab e r vi e ll e ic h t r eizt Euer e i n s ja n u r Pervers e s. Viell e icht s ollte ich m i r einen alten fetten Mann auf der Straße auflesen und ihn zu Euch bringen…«
Er beobachtete befried i gt, daß sie zurückwich, als hätte e r sie geschlagen. D och dann lächelte sie zu seinem Erstaunen. Nur m it d e m Mund, nicht m it den Augen; er hat t e freundlichere Augen über einer Duellpi s tole gesehen.
»Monsieur«, sagte sie, »w enn ihr etwas über meine Fa m ilie wissen wollt, dann er f ahrt d ies. W ir haben einige Fä h i g keiten, d ie s ich ve r erben, leider nicht sehr gute, und eine der schlim m sten ist unsere Gabe, uns zu rächen. Es ist ein Fluch, wirklich, weil wir nicht davon ablassen können, nie m als. Ihr habt vielleicht davon gehört, wie m ein Großvater seine m ühsam errungene Stellung bei Hofe einfach wegwar f , zusam m en mit dem Fa m ilienver m ögen, nur um den Mann u m bringen zu können, der seinen Bruder er m ordet hatte? So sind die du Plessis de Richelieu, Monsieur. Viell e icht n ic h t sehr gut darin, zu gefallen, aber hervorragend in der Rache.«
Er wollte l a chen, aber e s gelang i h m nicht. Als ihm sein Onkel einen Posten als Haupt m ann im Fel d zug gegen die aufständischen
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