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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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für irgend je m anden darstellen. Er war so tot wie die drei anderen, die in seiner Nähe lagen, so tot wie Raouls potentieller Mörder, dem er sich jetzt wieder zuwandte. Ein roter Streifen zog sich an seinem Hals entlan g .
    »Du hast ihm die Kehle durchges c hnitten«, sagte Raoul stockend. Paul, der bei dem sechsten ihrer Gegner stand, zuckte die Achseln. Er beugte sich zu dem Mann, der blutend und stöhnend auf dem Boden lag, und fragte ihn etwas in einer S p rache, die Ra o ul nic h t verstand. Dann wiederholte er die F r age in spanisch.
    » W er hat euch geschickt ? «
    Er er h ielt k eine Antwo r t; d e r Mann starrte ihn nur verständnislos an. Paul fragte auf französisch, und der Brigant spie ihm als Antwort ins Gesicht. Raoul, der noch dabei war zu verkraften, daß ihm sein Bruder durch eine T at, die allen D u ellregeln wi d erspr a ch u n d eher zu einem Straßenräuber paßte, das Leben gerettet hatte, erhielt einen neuerlichen Schock, als Paul sich in aller Ruhe den Speichel abwischte und dann m it derselben gleichgültigen Sicherheit das Leben des letzten Briganten durch einen Stoß ins Herz beendete.
    »Aber… aber…«, stam m elte Raoul entsetzt; er wußte nicht, was schlim m er war: der unerklärliche Überfall oder die Tatsache, daß sein Bruder zu so etwas fähig war.
    »Er hatte eine Bauchwunde«, sagte Paul. »Hast du schon ein m al einen Mann an so einer Wunde ste r ben sehen? Nein? Das dachte ich m i r. Es ist kein schöner Anblick, dauert sehr lange und ist äußerst sch m erzhaft.« Dann verharrte sein Blick an R aouls Schulter. »Du bist verletzt.«
    Raoul schaute zur Seite und wußte, warum sein linker Arm und die Achselhöhle sich so feucht angefühlt hatten; seltsa m erweise spürte er auch jetzt n och nic h ts v on der k laffenden W unde; das rasch hervorquellende Blut schien nicht aus seinem Körper zu kom m en.
    Mit ein paar Schritten war Paul bei ih m . Er riß Raouls rechten H e m dsä r m el in S t reifen, verband da m it rasch und geschickt die Verletzung auf der anderen Seite und stü t zte ihn unter der rechten Schulter.
    »Komm m it.«
    »Komm m it?!« ächzte R aoul. »Paul, ich brauche sofort einen Arzt! Ich m uß richtig verbunden werden!«
    »Den bekommst du, und das wirst du«, sagte P aul gelassen. »Aber nicht h i er. D azu m üssen wir auf die andere Seite des Flusses.«
     
    Marie las gerade Chapelai n s Antwortschrift auf die neuesten Pa m phlete, als i h r m itgeteilt wurde, ein Sieur Paul d’Irsd m asens bitte daru m , zu ihr vorgelassen zu wer d en. Sie habe ihm einen Besuch vorgeschlagen; m an sei sich im L o uvre begegnet, n ach dem E m pfang der Königin.
    Sie war weniger üb e rr a scht als l e i s e enttä u scht. Mut m aßlich hatte er sich nach längerer Überlegung gesagt, daß die Dankbarkeit der Herzogin v o n Aiguillon doch etwas w a r, was man rec h t gut gebrauchen konnte. »Ich lasse bitten«, entgegnete sie.
    »Mada m e«, sagte Le Val, »er hat gefragt, ob Mada m e so gütig seien, zu ihm hinauszukommen. Mada m e würden den Grund bald verstehen.«
    Das m achte sie doch ein wenig neu g ierig, und sie folgte Le Val in den Vorhof. Der Mann aus dem L o uvre kam ihr entgegen. »Monsieur«, begann sie, »erklärt…«
    Er schien es sich zur Gewohnheit ge m acht zu haben, sie zu unterbrechen. Le Val war in respektvoller Entfernung stehengeblieben.
    »Mada m e«, sagte er leise und hasti g , » m ein Begleiter«, er wies m it dem Kinn a uf einen Mann, der an ein e r Stallwand lehnte, »ist schwer verwundet. W i e Ihr im Louvre so richtig be m erkt habt, sind Duelle strafbar, und da es sich um m ei n en Bruder handelt, wäre ich Euch dankbar, wenn Ihr ihn ohne allzugroßes Aufsehen versorgen würdet.«
    »Ich ? « fragte sie ungläubig.
    »Ich kenne sonst nie m anden in Paris.«
    Einen Moment lang m usterte sie ihn, dann nickte sie. »Folgt m ir.« Raoul f i el es m ittl e rweile schwer, sich noch au f recht zu halten, die Luft flirrte vor seinen Augen, aber er hatte Paul gehört und begriffen, daß sein Bruder eben mit der grö ß ten Selbstverständlichkeit gelogen hatte. Duelle? S ie waren von Straß e nräubern überfallen worden, und es gab niemanden, der eine solche Wunde nicht versorgt hätte. Doch er war zu schwach, um zu spreche n , stützte sich auf Paul, k niff die Augen zusammen und versuchte, die Gestalt zu identifizieren, die ihnen voranschritt. Doch alles, was er wahrneh m en konnte, war ein schlanker Um riß in der Dunkelheit, das

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