Die Schatten von La Rochelle
Zustände, die ihm mit verdächtiger Häufigkeit ka m en, wenn sie sich sahen, und in denen er sich für Gott hielt: » W arum bist du geko mm en, A r m a n d ? «
Alphonse, m it der alten B itterkeit, der s ich weigerte, etwas anderes zu tragen als die strenge Kutte d e s Kartäuserordens, und sehr wahrscheinlich darunter noch ein härenes H e m d.
» W as willst d u ? Absol u tio n ? W i e wäre es, Armand, wenn d u dich zur Abwechslung daran erinnern wür d est, daß du nicht nur Minister und Kardinal bist, sondern auch Pri e ster? W ann hast du dich das letzte Mal an die drei Gelü b de erinner t ? Ar m ut: Ich gebe ja zu, es wäre zuviel verlangt, da unsere Mutter dich eigens zum Priester ge m acht hat, um die Fa m ilie zu bereichern. Und Gehorsam wem gehorch s t du noch, A r m and? W enn der Papst dir einen Gesandten schickt, der dir sagt, was du tun sollst, korru m pierst du ihn, wie den jungen Gecken da m als, der dir jetzt überall h in nachläuft. Was den König, deinen weltlichen Herrn, angeht… Besser, wir sprechen nicht davon. Und Gottes Stim m e? Wann hast du z u m letzte n m al auf Gottes Sti mm e gehört, A r m and ? «
Un m öglich, Alphonse zuzuhören, ohne zu widersprechen, ohne den alten Groll zu e m pfinden, aber auch un m öglich, auf das Gespräch zu verzichten. »Oh, ich wäre sehr dan k bar für Gottes Stim m e. Ich warte darauf, daß er m i r endlich sagt, warum er m ir den Geist und den W illen zur Macht gegeben hat, und dazu diesen m i serablen Körper m it seinen ständigen Krankheiten! Ich warte darauf, daß er m i r sagt, warum es nicht m öglich ist, ein Sch i ff ans Ufer zu steuern, oh n e dabei durch den schlim m sten Dreck im Hafenwasser zu segeln!«
Alphonse, s elbst m it dem weißglühenden Zorn ihrer Fa m ilie er f üllt: »Du l ä ster s t !«
Waru m ? Fruchtlose Frage. Fruchtlose Spekulation, und fruchtlos, Alphonse zu fragen, der schließlich den Anfang der langen Kette gebildet hatte, die ihn an das Hier und Jetzt fesselte. Doch nein, das war zu einfach. Alphonse?
Warum ließ sich die Vergangenheit nicht loswerden?
Es war Zeit, die Kette Glied um Glied zurückzuzählen, bis zu dem Tag, bis zu der Stunde, in der alles begann.
IV
D IE V ERGANGENHEI T : A RMAND
Eine Berufung ist die Rettung jedes Menschen vor der Trägheit; sie gibt ihm Gesundheit, sie hält den Verstand vom Nachdenken über Dinge, welche die Seele belast e n, ab; durch sie erhält das A l lgemeinwohl seine wahre F estigung, u n d bleibt dauerhaft, da es durch ständige Beschäftigung aufrechterhalten wird.
Richelieu: Em blema Animae
15. KAPITEL
Die Sonne drang durch die hohen F enster in das G e m ach der Marquise de Richelieu ein, zeigte erbar m ungslos die abgenutzten Polster m öbel, die verblichenen Vorhänge und ihr gealtertes Gesicht, als sie ihrem zweiten Sohn ungläubig gegenüberstand.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein!«
Der Rest der Fa m ilie war genauso ents e tzt wie Suzanne, aber sie hatten gelernt, sich z u rückzuhalten, wenn die Marqu i se sprach. Suzanne de La Porte war achtzehn J a hre alt gewesen, als m an sie m it François du Plessis d e Richelieu v erheiratet hatte; eine gute Partie, wie die L a Portes g l a u bten, ein a d liger Na m e für ihre Tochter. Es war Suzanne überlassen geblieben, alles über das Erbe herauszufinden, das sich hinter dem N a m en verbarg, die verlorenen Ländereien, das Te m pera m ent ihres Gatten, s ei n e Spielsucht, wegen der er bald ihre Mitgift verlor und s i e dann als m ittellose W it w e m it fünf Kindern zurückließ. Mit nichts als i h rem Verstand und ihrer Willenskraft war es ihr g elungen, den Verfall der Fa m ilie de Richelieu aufzuhalten und teilweise rückgängig zu m achen, aber w as auch immer sie als Mädchen an Sanf t m ut und Nachgie b igkeit besessen hatte, war dabei verloren gegangen.
Henri, der einen m anch m al geradezu perversen Sinn für Humor besaß, blickte Alphonse mit einer ge w i ssen Ehrfurcht an. Der Rest der F a m ilie sc ha ute zu Suza n ne, auch als Alphonse jetzt ent g egnete:
»Mutter, ich bin fest entschlossen. Morgen verlasse ich dieses Haus und trete bei den Kartäusern ein.«
»Alphonse«, sagte Suzanne befehlsgewohnt, »das ist unmöglich. Du weißt genau, warum ich dich z u m Priest e r b estim m t habe. Da m it du der Fa m i lie die Einkünfte von L u çon erhältst, indem du dort Bischof wirst.«
»Nicht Ihr habt m i ch zum Priester bestim m t . Gott hat m i ch
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