Die Schatten von La Rochelle
angeht…«
Regentropfen brachen sich auf ihren W i mpern. Mit b eiden Zeigefingern fuhr er die Rinnsale auf ihrem Gesicht n ach, nic h ts weiter als das, doch Charlotte hielt den Atem an. Sie versuchte, die reglose Haltung ihrer Herrin zu d e uten, und konnte es nicht.
»…ich wollte m i ch von Euch verabschieden. D eswegen hatte ich Euch eingeladen.«
»Ihr verlaßt Paris ? « fragte Marie. Ihre eigene Stim m e kl a ng ihr fr e m d im Ohr. Sie hätte nicht sagen können, warum sie sich nicht rührte, außer aus dem Grund, daß sie nicht m ehr in der Lage dazu war.
»Für eine Weile. Schließlich bin i c h Soldat. Ihr habt vielleicht von dem Aufst a nd des Herzogs von Soissons gehört.«
14. KAPITEL
Charlotte befürchtete, daß nun m e hr ihre Entlassung kurz bevorstand. Sie hatte zwar nicht die A b sicht, irgend je m and e m von dies e m erstaunlichen Ausflug zu erzä h len, und genaugenommen gab es nichts zu erzähle n ; außerdem hatte s i e sich Ver s chwiegenheit vorgenom m en. Aber woher sollte Mada m e das wissen bei ihrer Manie für Diskretion?
Also bereitete s i e s i ch innerli c h auf das Schlim m ste vor, als sie Mada m e i m Morgengrauen vor ihr e m Frisierspiegel vorfand. Ihre Herrin tat jedoch nicht m ehr, als i h r kurz zuzunicken und ihr die Obliegen h eiten des Tages m itzuteilen. Viell e icht i s t es zu f rüh am Morgen für schlechte Nachrichten, schloß Charlotte. Sie war sich nicht sicher, ob sie für eine V erzögerung dankbar sein sollte.
Als Madame sie dann unerwartet, obwohl sie eigentlich mit dem Reinigen der Schuhe beschäftigt war, in ihren kleinen Salon rufen ließ, war Charl o tte sich ihrer Sache sicher. Doch Mada m e war, wie sich herausstellte, nicht allein. In dem Z i mmer standen ein glatzköpfiger, m uskulös gebauter Mönch in einer abgetragenen Kutte und der seltsa m ste Mann, den Charlotte in i h rem Leben je gesehen hatte. Erst dachte sie, es m üsse ein Mensch aus Kathay sein, wie die kleinen Porzellanfiguren, die in Annettes Boudoir gestanden hatten, doch seine Haut hatte einen bronzenen Ton, keinen gelblichen, obwohl seine Augen ein wenig denen der Porzellanfiguren ähnelten. Das Haar war dicht, schwarz, schien e i n wenig fettig zu sein und war weder so lang, wie es die Herren b e i Hofe trugen, noch kurzgeschnitten wie das der Bauern.
»Charlotte«, sagte Mada m e, »Pater Colu m ban hat m i r gerade m itgeteilt, daß s ein Begl e it e r die Sta d t z u sehen wü n scht. Bitte s ei so g u t und führ ihn ein wenig heru m . In z w ei Stunden müßten wir hier fertig sein.«
Großartig, dachte Charlotte, einfach großartig. Ihre Erleichterung darüber, nicht e n tla s sen zu werde n , was offenbar bedeutete, daß Mada m e ihr vertraute, verschwand. Sie hatte heute, weiß Gott, genug zu tun, und jetzt wurde sie m it einem wildfre m den, heidnisch aussehenden Menschen losgeschickt, um ihm die Stadt zu zeigen, und das ganze auch noch in zwei Stunden!
» W ie heißt du ? « erkundigte sie sich m ürrisch, als sie das Palais verließen.
»Die Schwarzkutten nennen m i ch M atthieu«, antwortete er m it einem fürchterlichen Akzent, »und mein Stamm…«
Das Kauderwelsch, den er hinzufüg t e, schien i h r unaussprechlich.
»Matthieu also«, sagte sie streng. » E s ist ein guter christlicher Na m e, der Na m e eines Apostels, und so m it gut genug für dich.«
»Ein Mann kann nie genügend gute N a m en haben; sie zeigen seinen Feinden, wer er ist, und bie t en Schutz vor den Geistern. W ie nennt dein S t amm dich ? «
Bei allen H eiligen, d ac hte Cha r lotte, was ist d as f ür e i n W ilder?
»Mein Name ist Charlotte Dieudo n née«, entgegnete sie kühl, »und ich habe keinen Stamm. Ich bin ein zivilisierter Mensch.«
Irgendwie schien ihn das zu b e unruhigen. »Aber du m ußt deinen ersten Na m en noch kennen«, sagte er, »den Na m en, den du hattest, bevor die Blaßaugen dich fanden.«
Er hi e lt s ie o ff ensichtli c h f ür eine S klavin aus d em heidnischen A f rika. Doch ehe sie ihrer E m pörung Luft m ach e n konnte, kam ihr die Erkenntnis, daß er es v ermutlich nic h t besser wis s en konnte.
»Ich bin hier geboren«, erwiderte sie kurz. Seltsa m ; sie hatte nie darüber nachgedacht, daß sie gen a usogut hätte in Afrika zur W elt gekommen sein können. Plötzlich f r agte sie sich, ob ihre Mutter wohl aus Afrika stam m t e und welchen Na m en sie ihr gegeben hätte. Energisch schüttelte sie den Kopf, aber das Gefühl des Verlustes
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