Die Schatten von La Rochelle
f luß im Malteserorden gewiß, die Entscheidung d e s Heiligen Stuhls noch ein paar Jahre aufzuhalten.«
In ihren Augen lag Stolz, als sie ihren Bruder erwähnte. Seit Jahrhunderten hatten die Malteserritter n u r Mitglieder des Hochadels, die einen jahrhundertealten Stammbaum vorweisen konnten, in ihren Orden aufgenom m en, bis es ihrem Bruder A m ador aus ei g e n er Kraft gelungen w ar, diese Regel zu brech e n. Er hatte, wie ihr Vater, als Anwalt angefangen und war auch j e tzt noch in dieser Funktion für den Malteserorden tätig, aber der T ag, an dem m an ihn zum Commandeur der Malt e se r r itt e r ge m acht hatte, war der stolze s te ihr e s bisherigen L ebens gewesen.
A r m and lie b te seine Mutter, aber da er erst siebzehn war, fand er, daß sie seine noble Geste etwas wen i ger selbstverständlich hätte aufneh m en können. Doch was Alphonse, der ihn streng m usterte, nun sagte, m achte das Maß voll.
»Ich glaube nicht, daß es gut für dich und die Kirche wäre, Bischof zu werden, A r m and. Der Dä m on des Hoch m u t s steckt ohnehin in dir.«
»Zum Teuf el «, explodierte Ar ma nd und sah m it Befriedigung, daß Alphonse angesichts der Blasphe m i e sichtlich zusammenzuckte. Daß auch sei n e Mutter nic h t gerade erfre u t war, wür d e er später z u spüren bekommen. In ihrer Gegenwart fluchte m an nicht.
» W enn du m i ch und die Kirche unbedingt voreinander bewahren möchtest, Alphonse, dann tu doch deine Pflicht und werde selber Bischof!«
Françoise, die einige seiner Zukun f tsträu m e kannte und bisher geschwiegen hatte, be g a n n m itlei d ig: »Ar m and…« Gleich z eitig sagte Henri: » W enn du…«
»Laßt m i ch in Ruhe!«
»Verdam m t, ich wollte doch nur…«
»Achtet auf eure Sprac h e!« rief Suzanne scharf.
» W ie froh ich sein werde«, m einte Alphonse, »wenn ich dieser Fa m ilie e rst den Rücken gekehrt h a be. Der Teu f el steckt in euch allen.«
»O nein, teuerster Bruder«, sagte Ar m and. »Du m agst dieser F a m ilie vielleicht den Rücken kehren, aber ich schwöre bei Gott, daß sie dir nie den Rücken zukehren wird. Verkriech dich nur in deinem Kloster. Der Tag wird kom m en, a n dem ich dich dort heraushole, und dann wirst du Gott auf m eine Weise dienen.«
Die Ironie dabei war, daß er früh e r wirklich gerne Theologie studiert hatte, nicht nur, w eil es ein Pflic h t fach war. Die Fragen nach Gott und dem Sinn des Lebens beschäftigten ihn, aber von dahin bis zu einem Leben als Priester war es ein weiter W eg.
Was das Studium anging, er brachte es, wie er es sich geschworen hatte, tatsächlich in weniger als fünf Jahren hinter sich, auch wenn er in m anchen Bereichen nun von vorne anfangen mußte. Unterdessen blieb der Klerus von Luçon nicht untätig.
»A r m and«, schrieb sein Onkel A m a dor schließlich an ihn, »ich habe getan, was ich konnte, aber länger läßt sich die Entscheidung beim besten W illen nicht au f halten. Alles weite r e lie g t beim Heiligen Vater und bei Euch.«
Er brach nach Rom auf.
Es war nic h t leicht, als junger Niemand m it einem so u m strittenen Ziel eine Audienz beim Papst zu bekom m en, a l so hatte er m ehr Zeit, als ihm lieb war, um Rom a u f sich einwirken zu lassen.
Die Stadt f aszi n ie r t e i h n. Er st a nd auf der Engelsbrücke, blickte von der Burg, die der rö m i sche Kai s er Hadrian sich hatte erbauen lassen, zu der riesigen neuen Kathedrale Sankt P eter, die noch nicht ein m al ein Jahrhundert alt war, und spürte ihn den Pulsschlag der Jahrtausende. Den Pulsschlag der Macht.
Alle Wege führen nach Rom.
Bisher hatte Paris seine Vorstellungen von einer Stadt gefo r m t, doch verglichen m it Rom war Paris, das seinen Ruhm einzig seiner berüh m ten Universität verdankte und im m er noch dabei war, sich von den W u nden der langjährigen Bür g erkriege zu erholen, ein Dorf. Fast noch m ehr als die Geschichte beeindruckte ihn die Gegenwart von Ro m : Kunst, W i ssenschaft u n d die Verwaltung der gesa m t en katholischen Christenheit, konzentri e rt in ein e r Stadt.
»Ihr habt einen ungünstigen Zeitpunkt gewählt, m ein Sohn«, teilte ihm der Kardinal du Perron, der höchstrangige und berüh m teste französische Kleriker, m it, als er ihm seine Aufwartung m achte. »Der Papst ist m it der venezianischen Angelegenheit bes c häftigt, und außerdem neigt er im allg e m einen, Gott sei’s g ekl a gt, dazu, d ie Spanier zu bevorzugen.«
Auf diese Weise erfuhr Ar m and von dem
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