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Die Schattenflotte

Die Schattenflotte

Titel: Die Schattenflotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Rosalowsky seine Wirtschaftsvigilanten als Spitzel angesetzt hatte. Auch aus Sicht von Polizeirat Schön stand Sören auf der falschen Seite. Selbst wenn Schön eigentlich an Aufklärung gelegen war, wirkte sein Vorgehen immer so, als könne er im allerletzten Augenblick noch einen Trumpf aus dem Ärmel ziehen. An Kooperation war jedenfalls nicht zu denken. Es lief alles darauf hinaus, dass er David wirklich selbst vertreten musste. Nur so konnte er an die ihm wichtigen Informationen gelangen. Auch war fraglich, ob die Kollegen, selbst wenn sie das Mandat übernehmen würden, mit vergleichbarem Engagement bei der Sache sein würden. Aber zuerst wollte er mit diesem Otte sprechen.
    Am Berliner Bahnhof stieg Sören aus. Ein unangenehmer Wind aus Richtung Brookthorhafen wehte über den Bahnhofsplatz, und Sören rückte seinen Schal zurecht. Es war richtig gewesen, heute aufs Fahrrad zu verzichten. Als er den großen Platz in Richtung Klostertorbahnhof überquerte, frischte der Wind nochmals auf. Kleine Windhosen wirbelten den Staub und Unrat von der Straße empor, Mäntel blähten sich auf, Schirme klappten um, und mehreren Passanten wurden die Hüte vom Kopf geweht. Sielieferten sich über das Pflaster rollend ein Wettrennen mit alten Zeitungen und Kartonagen. Alles schien in Bewegung geraten, nur die Pferde vor den Wagen verharrten mit angelegten Ohren in trotziger Regungslosigkeit.
    Hinter dem Gebäude des alten Klostertorbahnhofs schwenkte Sören nach rechts und warf einen Blick auf die blattlosen Grünanlagen des ehemaligen Stadtwalls, dessen Verlauf hier bis über den Steintorplatz hinaus noch sichtbar war. Spätestens wenn man im nächsten Jahr mit dem Bau des geplanten Zentralbahnhofs begann, würde auch dieses Relikt aus dem alten Hamburg verschwinden und die ehemalige Vorstadt St.   Georg endgültig mit der Altstadt verschmelzen. Das ganze Areal zwischen neuem Schauspielhaus, Steinthor und Schweinemarkt würde dann sein Gesicht verändern und im Schatten der zukünftigen Bahnhofshalle liegen. Dort, wo die bisherige Bebauung es zuließ, entstanden bereits vornehme Hotels, deren Fassaden auf den späteren Bahnhof ausgerichtet waren. Ganz anders die Gegend rund um den alten Münzplatz. Keine Spur reger Bautätigkeit, wie man sie etwa an der Kirchenallee beobachten konnte. Als wolle man die weitere Entwicklung erst einmal abwarten, waren Pracht und Herrlichkeit vergangener Jahre hier deutlich verblasst.
    Auch das Hotel Victoria bei dem Hühnerposten, in dem Waldemar Otte abgestiegen war, musste schon bessere Jahre gesehen haben. An der Fassade zeigten sich bereits Risse, die Farbe an den Fensterrahmen war spröde und blätterte an einigen Stellen ab, und von den schmiedeeisernen Geländern und Brüstungen liefen kleine, rostfarbene Rinnsale an den Mauern herab. Die Gäste schien es nicht zu stören. Beim Eintreten las Sören ein Schild, auf dem stand, dass man vollständig belegt sei.
    Auch das Entree wirkte etwas verstaubt, bei weitemaber nicht so heruntergekommen wie das Äußere des Hauses. An der Rezeption entschuldigte sich der Empfangschef bei einem vornehm gekleideten Herrn, der das Schild am Eingang übersehen haben musste und hartnäckig nach einem Zimmer verlangte. Sören wartete, bis der Mann schließlich aufgab und leise fluchend das Hotel verließ. Der Empfangschef räusperte sich verlegen, nestelte am oberen Knopf seiner Livree und wendete sich dann Sören zu.
    Sören kam einer Entschuldigung zuvor. «Ich habe gelesen, dass Sie belegt sind, und ich möchte auch kein Zimmer.» Er reichte dem Empfangschef seine Karte. «Wenn ich richtig informiert bin, wohnt bei Ihnen ein Herr Otte aus Danzig. Ist er im Hause?»
    Der Empfangschef warf nur einen flüchtigen Blick auf die Karte, dann schaute er aufs Schlüsselbrett und nickte. «Zimmer 43.   Herr Otte erwartet Sie bereits.»
    Sören kam nicht dazu, seiner Verwunderung Ausdruck zu verleihen und die Verwechselung aufzuklären. Ein Page drängte hinter den Tresen und forderte die Aufmerksamkeit des Empfangschefs.
    «Auf der vierten Etage», fügte er an Sören gerichtet hinzu, reichte ihm die Karte zurück und deutete auf die geschwungene Treppe in der Empfangshalle. Dann verließ er die Rezeption und folgte dem jungen Pagen.
    Sören steckte die Karte ein und zögerte einen Augenblick. Wen auch immer Waldemar Otte erwartete, er war es bestimmt nicht. Aber dieses Missverständnis verschuldete eindeutig das Hotel, und darauf konnte er sich im Notfall

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