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Die Schattenflotte

Die Schattenflotte

Titel: Die Schattenflotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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faszinierend.
    Willi Schmidlein stand mit einem Eimer bewaffnet neben einem Gerüst und wartete, bis das Donnern der Schläge vorüber war. Wie Thormann gesagt hatte, war er tatsächlich sofort an seiner Haarfarbe zu erkennen. Funken sprühten kurz auf, dann war es für ein paar Sekunden still. Ihre Blicke trafen sich. Kurz darauf setzte das peitschende Knallen von Hammerschlägen einer anderen Kolonne ein. Sören ging auf Schmidlein zu. «Wie viel schafft ihr pro Schicht?»
    «Was?»
    «Wie viel schafft ihr pro Schicht?», wiederholte Sören.
    Schmidlein schüttelte den Kopf und hielt sich die Hand ans Ohr. «Was? Ich versteh nix!»
    «Wie viel ihr am Tag schafft!»
    Es hatte keinen Sinn, gegen die Lärmkulisse anzuschreien. Der Krach war wirklich ohrenbetäubend. Schmidlein behielt den Vorhalter im Auge, der ihm mit den Fingern Zeichen gab, die er an den Warmmacher weitergab. Die Anzahl der hochgehaltenen Finger musste etwas mit der Größe der benötigten Niete zu tun haben. Kurz darauf flog ihnen aus Richtung Esse ein Eisen entgegen. Sören zog automatisch den Kopf ein, aber Schmidlein fing das Teil gekonnt auf. Das Scheppern der Niete im Eimer ging im Gedröhn der Umgebung unter. Er griff die Niete mit einer Zange und steckte sie in eine Eisenplatte von mindestens drei Zentimeter Stärke. Den Rest überließ er dem Vorhalter. Sören kam sich vor wie im Inneren einer Eisentonne, auf die mit Hämmern unaufhörlich von außen eingeschlagen wird. Er fragte sich, wie man das auf Dauer aushalten konnte. Jeder Arbeiter in einer solchen Kolonne musste innerhalb kürzester Zeit schwerhörig oder taub sein.
    Für einen kurzen Moment setzte Ruhe ein. Zumindest kam es Sören so vor, und er wiederholte seine Frage. «Wie viel schafft ihr pro Schicht?»
    Willi Schmidlein zuckte die Achseln. «So drei- bis vierhundert, glaub ich!» Er stand hinter einem Gerüst, das der Verstrebung für ein Schiffsschott Halt gab, und musterte Sören. «Warum fragst du?», rief er. Inzwischen hatte das Hämmern einer anderen Gang wieder eingesetzt.
    Sören wartete den nächsten ruhigen Moment ab und näherte sich Schmidlein, sodass er ihm direkt ins Ohr sprechen konnte. «Ich komme von David!»
    Willi Schmidlein erstarrte und ließ vor Schreck denEimer fallen. Dann drehte er sich schlagartig um und wollte weglaufen, doch Sören hatte das erwartet und packte sein Handgelenk und zog ihn zurück. «Ich bin sein Vater!», schrie er ihm entgegen.
    Schmidlein starrte ihn fassungslos an. Nur langsam wich die Panik aus seinem Gesicht.
    «Ich muss mit dir reden.»
    «Geht jetzt nicht», antwortete Schmidlein. Der Vorhalter fuchtelte mit den Armen, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. «In einer Stunde habe ich Schicht. Dann können wir reden.»
    «Wo?», fragte Sören und ließ sein Handgelenk los.
    «Wir treffen uns bei der Kaffeeklappe am Anleger.»
    Sören nickte. «Ich warte am Tor auf dich.»
     
    In der Kaffeeklappe herrschte dichtes Gedränge. Die letzten warmen Rundstücke und Knacker des Tages wurden lauthals angepriesen, viele der Arbeiter hatten sich in dem hölzernen Verschlag jedoch nur versammelt, um nicht in der Kälte am Anleger stehen zu müssen. Die Barkassen verkehrten jetzt nur noch halbstündlich. Schmidlein lehnte Sörens Einladung dankend ab und begnügte sich mit einem Punsch zum Aufwärmen. Er wollte nicht glauben, was Sören ihm erzählte.
    «Und ich habe gedacht, die ganze Hamburger Polizei ist hinter mir her.» Die Erleichterung war ihm anzusehen.
    «David hat deinen Namen nicht verraten», beruhigte ihn Sören. «Und ich habe den Polizeibericht gelesen. Der Name Schmidlein taucht dort nicht auf. Hinter wem sie her sind, das ist Peter Schulz. Er wird in der Stadt nur der rote Peter genannt.»
    «Er hat mir geholfen, einen Unterschlupf zu finden.»
    Sören schüttelte den Kopf. «Das ist keine gute Gesellschaft,wenn man nichts ausgefressen hat. Erzähl mir von dem besagten Abend. Was genau ist geschehen?»
    Willi Schmidlein bestätigte mehr oder weniger, was David bereits berichtet hatte. Es hatte die Frau, die Simon Levi hinter sich hergezogen hatte, also wirklich gegeben.
    «Und sie sind aus einem Haus gekommen?», fragte Sören. Schmidlein schien sich an mehr Details zu erinnern als David. Wahrscheinlich war er nicht so betrunken gewesen.
    «Das war so eine Tordurchfahrt, eine Passage, die in einen Hinterhof mündete. Wir warteten dort auf Hans, der in einem benachbarten Haus verschwunden war, um uns da

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