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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ich vor Gericht guten Gewissens vertreten.»
    «Mhm», machte Joanna.
    In ihrer Stimme schwang etwas mit, das Owen dazu veranlasste, es scharf zu wiederholen: «Besten Gewissens! – Sie sind anderer Meinung, Miss Burton?», setzte er dann hinzu.
    «O nein, keineswegs», sagte Joanna. «Ich an Ihrer Stelle würde es genauso machen.»
    Owen sah sie misstrauisch an, und dann ging er langsam davon. Joanna und ich traten ins Haus – die Haustür stand offen, und es schien einfacher, gar nicht erst zu klingeln, zumal wir von drinnen Elsie Hollands Stimme hörten.
    Sie redete auf Mr Symmington ein, der zusammengesunken in einem Sessel saß und stumpf vor sich hin sah.
    «Also wirklich, Mr Symmington, Sie müssen was zu sich nehmen. Sie hatten kein Frühstück, jedenfalls kein ordentliches, und gestern Abend haben Sie auch nichts gegessen, nicht, dass Sie uns noch krank werden von dem Schock und allem. Sie brauchen doch alle Ihre Kräfte. Das hat der Herr Doktor gerade eben noch gesagt.»
    Symmington sagte tonlos: «Das ist sehr lieb von Ihnen, Miss Holland, aber…»
    «Einen schönen heißen Tee», sagte Elsie Holland und hielt ihm mit großer Bestimmtheit die Tasse hin.
    Ich persönlich hätte dem armen Kerl ja einen steifen Whiskey Soda verabreicht. Er sah aus, als könnte er einen vertragen. Doch er nahm den Tee, und indem er zu Elsie Holland aufblickte, sagte er: «Ich kann Ihnen gar nicht genug danken für alles, was Sie getan haben und nach wie vor tun, Miss Holland. Sie sind eine unschätzbare Hilfe.»
    Das Mädchen errötete und schaute höchst erfreut drein.
    «Das ist nett von Ihnen, dass Sie das sagen, Mr Symmington. Bitte lassen Sie mich Ihnen helfen, wo es nur geht. Machen Sie sich keine Sorgen um die Kinder – um die kümmere ich mich schon, und die Dienstboten haben sich auch beruhigt, und wenn es irgendwas gibt, was ich tun kann, Briefe schreiben oder Anrufe erledigen, sagen Sie mir nur Bescheid.»
    «Das ist sehr lieb von Ihnen», wiederholte Symmington.
    Als sie sich umdrehte, entdeckte Elsie Holland uns und kam eiligen Schritts zu uns in die Vorhalle.
    «Ist es nicht entsetzlich?», fragte sie flüsternd.
    Ich sah sie an und dachte bei mir, dass sie doch wirklich ein nettes Mädchen war. Gutherzig, tüchtig, eine Hilfe in der Not. Ihre wunderschönen blauen Augen hatten einen ganz schwachen rosa Rand, der zeigte, dass sie zartfühlend genug gewesen war, den Tod ihrer Dienstherrin zu beweinen.
    «Können wir Sie einen Augenblick sprechen?», fragte Joanna. «Wir wollen Mr Symmington nicht stören.»
    Elsie Holland nickte verständnisinnig und führte uns ins Esszimmer, das auf der anderen Seite der Vorhalle lag.
    «Es war furchtbar für ihn», sagte sie. «So ein Schock. Wer hätte gedacht, dass so etwas passieren könnte? Jetzt, im Nachhinein, wird mir natürlich klar, dass sie schon eine ganze Weile seltsam war. Immer so nervös und weinerlich. Ich dachte, es ist ihre Gesundheit, obwohl Dr. Griffith immer gesagt hat, dass ihr eigentlich gar nichts fehlt. Aber sie war bissig und reizbar, und an manchen Tagen konnte es ihr gar niemand mehr recht machen.»
    «Wir wollten eigentlich fragen», sagte Joanna, «ob wir Megan für ein paar Tage zu uns nehmen können – natürlich nur, wenn sie Lust hat.»
    Elsie Holland machte ein verblüfftes Gesicht.
    «Megan?», sagte sie unsicher. «Ich weiß nicht recht. Ich meine, das ist natürlich furchtbar lieb von Ihnen, aber sie ist so ein sonderbares Mädchen. Nie weiß man, was sie als Nächstes sagt oder tut.»
    «Wir dachten, es wäre vielleicht eine Hilfe», sagte Joanna vage.
    «Nun, eine Hilfe wäre es auf jeden Fall. Ich meine, ich hab ja schon die Jungen (im Moment passt gerade die Köchin auf sie auf) und den armen Mr Symmington – der hat es dringend nötig, dass jemand nach ihm schaut, und dann all die anderen Sachen, die ich erledigen muss… Da bleibt mir nicht die Zeit, mich groß um Megan zu kümmern. Sie ist oben im alten Kinderzimmer, glaube ich. Sie wollte niemanden sehen. Ich weiß nicht, ob…»
    Joanna warf mir einen Blick zu, und ich stahl mich rasch aus dem Zimmer, die Treppe hinauf.
    Das alte Kinderzimmer lag direkt unterm Dach. Ich öffnete die Tür und trat ein. Das Zimmer unten hatte auf den Garten hinausgeblickt, und die Jalousien waren nicht heruntergezogen gewesen. Aber dieser Raum, der zur Straße hinaus ging, war pflichtgemäß verdunkelt.
    Durch trübes graues Dämmerlicht sah ich Megan. Sie kauerte auf einem Diwan am anderen

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