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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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das?»
    «Ein Cocktail.»
    «Wirklich? Ganz, ganz wirklich?» Megans Tränen versiegten im Nu. «Ich hab noch nie einen Cocktail getrunken.»
    «Es muss bei allem ein erstes Mal geben», sagte ich.
    Megan nippte vorsichtig. Ein strahlendes Lächeln breitete sich über ihr Gesicht aus, sie legte den Kopf in den Nacken und trank das Glas in einem Zug leer.
    «Das schmeckt aber lecker», sagte sie. «Krieg ich noch einen?»
    «Nein», sagte ich.
    «Warum nicht?»
    «Warte zehn Minuten, dann weißt du’s.»
    «Oh!»
    Megan wandte sich an Joanna.
    «Es tut mir furchtbar Leid, dass ich Ihnen so die Ohren vollgeheult hab. So was Albernes, wo ich doch so froh bin, dass ich hier sein darf.»
    «Mach dir keine Gedanken», sagte Joanna. «Wir freuen uns sehr über deinen Besuch.»
    «Das meinen Sie nicht ernst. Sie sind einfach nur nett. Trotzdem, ich bin Ihnen sehr dankbar.»
    «Fang jetzt nicht an, dich zu bedanken», sagte Joanna. «Das macht mich nur verlegen. Es ist mein Ernst, wir sind heilfroh, dass du da bist. Jerry und mir fällt nichts mehr ein, worüber wir reden könnten. Wir sitzen da und schweigen uns an.»
    «Aber jetzt», fiel ich ein, «können wir lauter interessante Gespräche führen – über Regan und Goneril zum Beispiel.»
    Megans Gesicht hellte sich auf.
    «Da habe ich drüber nachgedacht, und ich glaube, jetzt weiß ich die Antwort. Es kam daher, dass ihr grässlicher Vater ständig verlangt hat, dass sie ihm Honig ums Maul schmieren. Wenn man andauernd danke sagen muss und wie reizend und was weiß ich noch alles, kein Wunder, wenn man dann innerlich ganz verkorkst und komisch wird und nur auf eine Gelegenheit wartet, endlich mal so richtig giftig sein zu dürfen – und wenn sie dann kommt, schießt man natürlich übers Ziel hinaus. Der alte Lear ist schon ein ziemlicher Kotzbrocken, oder? Ich meine, er verdient es, dass Cordelia ihn abblitzen lässt.»
    «Ich sehe schon», sagte ich, «wir werden viele interessante Gespräche über Shakespeare führen.»
    «Und ich sehe schon, dass es hier fürchterlich intellektuell zugehen wird», erklärte Joanna. «Mich könnt ihr ja mit Shakespeare jagen. Immer diese endlos langen Szenen, wo alle betrunken sind, und man soll es komisch finden.»
    «Apropos trinken.» Ich wandte mich an Megan. «Wie fühlst du dich?»
    «Gut, danke.»
    «Gar nicht schwindlig? Du siehst nicht zufällig zwei Joannas?»
    «Nein. Mir ist nur sehr nach Reden zu Mute.»
    «Ausgezeichnet», sagte ich. «Du bist offensichtlich ein Naturtalent. Vorausgesetzt, das war wirklich dein erster Cocktail.»
    «War es.»
    «Trinkfestigkeit ist für jeden Menschen eine Zierde», sagte ich.
    Joanna brachte Megan nach oben, damit sie auspacken konnte.
    Partridge erschien mit säuerlicher Miene und meldete, sie habe zum Mittagessen zwei Schälchen Wackelpudding gemacht, was nun damit werden solle?

Sechstes Kapitel
    I
     
    D ie gerichtliche Untersuchung erfolgte drei Tage später. Es wurde alles so diskret wie möglich abgewickelt, aber der Zuschauerraum war voll, und die Köpfe in den bestickten Häubchen, beobachtete Joanna, nickten eifrig. Als Todeszeitpunkt wurde die Zeit zwischen drei und vier Uhr nachmittags festgesetzt. Mrs Symmington war allein im Haus gewesen – Symmington war in seiner Kanzlei, die Dienstmädchen hatten ihren freien Tag, Elsie Holland machte mit den Kindern einen Spaziergang, und Megan war mit dem Rad unterwegs.
    Der Brief musste mit der Nachmittagspost gekommen sein. Offenbar hatte Mrs Symmington ihn aus dem Kasten genommen, gelesen – und dann in äußerster Erregung ein wenig von dem Zyankali aus dem Geräteschuppen geholt, das dort für die Wespennester aufbewahrt wurde, das Gift in Wasser aufgelöst und es getrunken, nachdem sie jene letzten aufgewühlten Worte niedergeschrieben hatte: «Ich kann nicht mehr…»
    Owen Griffith gab sein medizinisches Gutachten ab, wobei er das bereits vor uns skizzierte nervöse Leiden Mrs Symmingtons und ihren Mangel an Vitalität hervorhob. Der Untersuchungsrichter war diplomatisch und taktvoll. Er äußerte sich mit bitterer Verachtung über Menschen, die etwas so Verabscheuenswertes wie anonyme Briefe verfassten. Wer immer diesen bösen und verlogenen Brief geschrieben habe, erklärte er, sei moralisch des Mordes schuldig. Er hoffe, die Polizei werde den Verantwortlichen bald aufspüren und Schritte gegen ihn oder sie einleiten. Ein solch heimtückisches und boshaftes Machwerk verdiene es, mit der vollen Härte des Gesetzes

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