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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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bestraft zu werden. Dieserart eingestimmt, gelangten die Geschworenen zu dem unvermeidlichen Urteil. Selbstmord bei vorübergehender Störung der Geistestätigkeit.
    Der Untersuchungsrichter hatte sein Bestes getan – Owen Griffith gleichfalls, aber als ich mich hinterher durch die Menge neugieriger Dorfweiber drängte, hörte ich wieder jenes ekelhafte zischelnde Raunen, das mir mittlerweile so vertraut war: «Wo Rauch ist, ist auch Feuer, das sag ich doch immer schon!» – «Irgendwas wird schon dran gewesen sein. Sonst hätte sie es nie und nimmer getan…»
    Und einen Augenblick lang hasste ich Lymstock und seine Beschränktheit und seine schwatzhaften, tuschelnden Frauen.
     
    II
     
    Es ist nicht leicht, sich sämtliche Vorfälle in ihrer exakten zeitlichen Abfolge zu merken. Das Nächste herausstechende Ereignis war natürlich der Besuch des Polizeirats, Superintendent Nash. Aber noch vorher, so meine ich, erhielten wir Besuch von verschiedenen Gemeindemitgliedern, jeder auf eigene Weise interessant und reich an Aufschlüssen über Charakter und Persönlichkeit der Beteiligten.
    Aimée Griffith kam am Morgen nach der Verhandlung. Wie immer sprühte sie vor Gesundheit und Energie, und wie immer brachte sie mich binnen kürzester Zeit in Harnisch. Joanna und Megan waren nicht da, deshalb machte ich die Honneurs.
    «Guten Morgen», sagte Miss Griffith. «Ich höre, Megan Hunter ist bei Ihnen?»
    «Ja.»
    «Sehr anständig von Ihnen, das muss ich sagen. Muss ja eine ziemliche Belastung sein. Ich wollte nur sagen, wenn es Ihnen lieber ist, kann sie auch zu uns kommen. Mir wird schon was einfallen, wie sie sich im Haus nützlich machen kann.»
    Ich betrachtete Aimée Griffith mit einer gehörigen Portion Abneigung.
    «Wie freundlich von Ihnen», sagte ich. «Aber wir haben sie gern bei uns. Sie bummelt ganz vergnügt vor sich hin.»
    «Das glaub ich Ihnen gern. Bummelt viel zu viel, dieses Kind. Na, was soll sie auch anderes machen, unterbelichtet, wie sie ist.»
    «Ich halte sie für ein hochintelligentes Mädchen», entgegnete ich.
    Aimée Griffith musterte mich scharf.
    «Da sind Sie aber der Erste, der das sagt», bemerkte sie. «Wenn man mit ihr redet, schaut sie einen an, als würde sie kein Wort verstehen.»
    «Es interessiert sie wahrscheinlich einfach nicht», sagte ich.
    «Dann ist sie ausnehmend unhöflich», betonte Aimée Griffith.
    «Vielleicht. Aber nicht unterbelichtet.»
    Miss Griffith erklärte mit Verve: «Im besten Fall ist es Tagträumerei. Was Megan braucht, ist rechtschaffene, harte Arbeit – etwas, das ihr ein Ziel im Leben gibt. Sie ahnen ja gar nicht, was für einen Unterschied das für ein Mädchen macht. Ich kenne mich aus mit jungen Mädchen. Sie wären überrascht, wie viel allein schon der Beitritt bei den Pfadfinderinnen bewirkt. Megan ist viel zu alt, um ihre Zeit mit Herumtrödeln und Nichtstun zu verbringen.»
    «Bis jetzt hatte sie ja kaum eine Wahl», sagte ich. «Mrs Symmington schien unter dem Eindruck zu stehen, dass Megan ungefähr zwölf ist.»
    Miss Griffith schnaubte.
    «Ich weiß. Das ist eine Haltung, für die ich überhaupt kein Verständnis habe. Gut, jetzt ist sie tot, die Arme, da mag man natürlich nicht mehr viel sagen, aber für mich war sie immer das Musterexemplar der beschränkten Hausfrau. Bridge und Klatsch und die Kinder – wobei sich um die ja hauptsächlich die kleine Holland gekümmert hat. Nein, ich muss sagen, ich hatte nie eine sehr hohe Meinung von Mrs Symmington, obwohl ich natürlich niemals die Wahrheit vermutet hätte.»
    «Die Wahrheit?», fragte ich scharf.
    Miss Griffith errötete.
    «Es hat mir sehr Leid getan für Dick Symmington, dass das alles in der Untersuchung ans Licht gezerrt werden musste», sagte sie. «Es war die Hölle für ihn.»
    «Aber Sie haben doch sicher gehört, wie er sagte, dass in dem Brief kein wahres Wort steht – dass er das alles für erlogen hält?»
    «Natürlich sagt er das. Und völlig zu Recht. Ein Mann muss für seine Frau einstehen. Dick könnte gar nicht anders.» Sie hielt inne und erklärte dann: «Ich kenne Dick Symmington nämlich schon sehr lange.»
    Ich war etwas überrascht.
    «Wirklich?», sagte ich. «Ich hatte Ihren Bruder so verstanden, dass er die Praxis hier erst vor ein paar Jahren gekauft hat.»
    «Das schon, aber Dick Symmington war viel bei uns oben im Norden unterwegs. Ich kenne ihn schon seit Jahren.»
    Frauen sind mit Schlussfolgerungen schneller bei der Hand als Männer. Dennoch

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