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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Fall», sagte Nash. «Inspector Graves hat uns damals sehr geholfen.»
    Einige der Briefe, sah ich, lagen vor Graves auf dem Tisch ausgebreitet. Er war offenbar dabei gewesen, sie zu studieren.
    «Das Schwierige ist», erläuterte Nash, «überhaupt an die Briefe heranzukommen. Entweder die Leute verbrennen sie, oder sie verschweigen sie ganz. Aus Dummheit oder weil sie nichts mit der Polizei zu tun haben wollen. Die Fortschrittlichsten sind sie hier nicht.»
    «Trotzdem, die Ausbeute könnte schlechter sein», sagte Graves.
    Nash zog den Brief, den ich ihm gegeben hatte, aus der Tasche und warf ihn ihm hin.
    Graves überflog ihn, legte ihn zu den anderen und bemerkte beifällig: «Sehr schön – wirklich sehr schön.»
    Nicht ganz die Worte, die ich gewählt hätte, aber Experten haben da vermutlich ihre eigenen Kriterien. Ich war froh, dass es überhaupt jemanden gab, den diese Flut von Schmähungen und Obszönitäten erfreute.
    «Ich denke, das Material reicht für eine erste Auswertung», sagte Inspector Graves, «aber ich möchte Sie bitten, meine Herren, sollte einer von Ihnen weitere Briefe bekommen, bringen Sie sie mir unverzüglich. Und wenn Sie von jemandem hören, der einen Brief erhalten hat – einer Ihrer Patienten zum Beispiel, Herr Doktor –, ermutigen Sie die Empfänger unbedingt, damit herzukommen. Ich habe jetzt», mit flinken Fingern schob er seine Beweisstücke hin und her, «einen an Mr Symmington, den dieser bereits vor zwei Monaten erhalten hat, einen an Dr. Griffith, einen an Miss Ginch, einen an Mrs Mudge, die Frau des Metzgers, einen an Jennifer Clark, die Bedienung im Three Crowns, dann den Brief an Mrs Symmington, diesen jetzt an Miss Burton – ach ja, und einen an den Bankdirektor.»
    «Eine recht repräsentative Sammlung», bemerkte ich.
    «Und keiner darunter, wie er mir nicht auch schon bei früheren Fällen untergekommen wäre! Dieser hier könnte wortwörtlich von der Frau aus der Kurzwarenabteilung geschrieben worden sein. Der da klingt haargenau wie einer der Briefe von dem Fall in Northumberland – da war es ein Schulmädchen. Ich kann Ihnen sagen, meine Herren, ich hätte nichts dagegen, einmal etwas Neues zu sehen statt immer nur derselben alten Leier.»
    «Es gibt nichts Neues unter der Sonne», murmelte ich.
    «Sehr richtig, Sir. Davon können wir in unserem Gewerbe ein Lied singen.»
    Nash seufzte und murmelte: «Allerdings.»
    «Können Sie über den Verfasser denn schon etwas Konkretes sagen?», fragte Symmington.
    Darauf räusperte Graves sich, und der Vortrag begann.
    «Es gibt eine Reihe von Merkmalen, die allen Briefen gemeinsam sind. Ich werde Ihnen diese Merkmale aufzählen, meine Herren, vielleicht fällt Ihnen ja etwas dazu ein. Der Text der Briefe setzt sich aus Wörtern und einzelnen Buchstaben zusammen, die aus einem Buch ausgeschnitten worden sind. Es ist ein altes Buch, meiner Schätzung nach etwa achtzehnhundertdreißig gedruckt. Dadurch soll offensichtlich eine Identifikation mittels der Handschrift verhindert werden, die, wie heutzutage den meisten bekannt ist, kein großes Problem darstellt – das so genannte Verstellen der Schrift hält der Prüfung durch den Sachverständigen nur in den seltensten Fällen stand. Weder auf den Briefen selbst noch auf den Umschlägen finden sich verwertbare Fingerabdrücke. Anders formuliert, sie sind durch die Hände der Postbeamten und des Empfängers gegangen, sie weisen den einen oder anderen Fremdabdruck auf, aber keinen, der allen gemeinsam wäre – was zeigt, dass die Person, die die Briefe geschrieben hat, Handschuhe trug. Die Umschläge sind mit der Maschine beschriftet, einer Windsor Sieben mit recht abgewetzten Typen, von denen das a und das t verbogen sind. Die meisten sind in Lymstock aufgegeben oder eigenhändig zugestellt worden. Daraus geht klar hervor, dass sie hiesiger Provenienz sind. Verfasst hat sie eine Frau, und zwar meiner Meinung nach eine Frau mittleren oder höheren Alters, die wahrscheinlich, wenn auch nicht zwingend, unverheiratet ist.»
    Einen Moment lang verharrten wir in ehrerbietigem Schweigen. Dann sagte ich:
    «Die heißeste Spur ist die Schreibmaschine, oder? Die müsste sich doch ermitteln lassen in einer so kleinen Stadt.»
    Inspector Graves schüttelte traurig den Kopf und sagte: «Irrtum, Sir.»
    «Die Schreibmaschine», ergänzte Superintendent Nash, «war leider etwas zu leicht zu ermitteln. Es ist eine alte Maschine aus Mr Symmingtons Kanzlei; er hat sie dem Frauenverein

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