Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
zurück.
    «Keine Fortschritte. Ihrer Version nach hat Minnie lediglich gesagt, dass sie sich wegen etwas Sorgen macht und nicht weiß, was sie tun soll, und deshalb Miss Partridge um Rat fragen möchte.»
    «Hat Partridge irgendjemandem davon erzählt?», fragte Joanna.
    Nash nickte mit finsterer Miene.
    «Ja, Ihrer Putzfrau, Mrs Emory – offenbar dahingehend, dass es eben doch noch junge Frauen gibt, die bereit sind, sich von den Älteren etwas sagen zu lassen, und sich nicht einbilden, sie wüssten alles besser, und dass Minnie vielleicht ein bisschen langsam sei, aber doch immerhin ein nettes, respektvolles Mädchen, das wisse, was sich gehöre.»
    «Ein bisschen Selbstbeweihräucherung schadet nie», murmelte Joanna. «Und Mrs Emory kann es natürlich in der ganzen Stadt herumerzählt haben?»
    «So ist es, Miss Burton.»
    «Eins verstehe ich nicht», sagte ich. «Warum haben meine Schwester und ich diese Briefe bekommen? Wir sind fremd hier – gegen uns kann doch niemand einen Groll hegen.»
    «Da verkennen Sie die Mentalität unserer Briefeschreiberin. Alles ist Wasser auf ihre Mühlen. Ihr Groll, wenn Sie so wollen, gilt der gesamten Menschheit.»
    «Das war es wahrscheinlich», sagte Joanna nachdenklich, «was Mrs Dane Calthrop gemeint hat.»
    Nash sah sie fragend an, aber sie klärte ihn nicht auf.
    Der Superintendent sagte: «Ich weiß nicht, ob Sie sich den Umschlag Ihres Briefes zufällig genauer angeschaut haben, Miss Burton. Wenn ja, dann ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass er ursprünglich an Miss Barton adressiert war. Aus dem a ist nachträglich ein u gemacht worden.»
    Diese Tatsache, richtig ausgelegt, hätte uns da bereits einen Hinweis auf die Lösung liefern können. Aber keiner von uns maß ihr besondere Bedeutung bei.
    Nash zog von dannen, und Joanna und ich blieben allein zurück. Sie sagte sogar noch: «Aber der Brief wird doch nicht für Miss Emily gedacht gewesen sein, oder?»
    Ich wandte ein, dass er dann schwerlich mit «Du aufgedonnerte Schlampe» begonnen hätte, und sie gab mir Recht.
    Dann schlug sie vor, ich solle doch einen Spaziergang in die Stadt unternehmen. «Hör dich um, was das Volk spricht. Es wird das Thema schlechthin sein.»
    Ich fragte, ob sie nicht mitkommen wolle, aber zu meiner Überraschung lehnte sie ab. Sie wolle lieber ein bisschen im Garten herumwursteln, meinte sie.
    An der Tür blieb ich stehen und sagte mit gedämpfter Stimme: «Partridge ist aber doch sauber?»
    «Partridge!»
    Joanna klang so befremdet, dass ich mich für meinen Einfall schämte. «War nur so eine Idee», sagte ich entschuldigend. «Immerhin ist sie in mancher Hinsicht ziemlich verschroben – eine verbiesterte alte Jungfer. Jemand, bei dem einen ein religiöser Wahn nicht wundern würde.»
    «Ich dachte, Graves hätte gesagt, es ist kein religiöser Wahn?»
    «Na gut, aber eine Sexualneurose. So wie ich es verstanden habe, liegt das beides sehr nahe beieinander. Sie ist verklemmt und achtbar, und sie war jahrelang mit einem Haufen ältlicher Damen zusammengesperrt.»
    «Wie kommst du nur auf so was?»
    «Nun ja, wir wissen schließlich nur von ihr, was diese Minnie zu ihr gesagt hat, oder? Angenommen, Minnie hat Partridge gefragt, warum Partridge vorige Woche einen Brief bei ihnen eingeworfen hat – und Partridge hat gesagt, sie würde am Nachmittag vorbeikommen und alles erklären?»
    «Und uns dann zur Tarnung gefragt, ob das Mädchen herkommen kann?»
    «Genau.»
    «Aber Partridge war an dem Nachmittag doch gar nicht weg.»
    «Das wissen wir nicht. Wir waren schließlich nicht daheim.»
    «Stimmt. Ja, möglich wäre es wohl.» Joanna ließ sich das durch den Kopf gehen. «Aber ich glaube es trotzdem nicht. Ich glaube nicht, dass jemand wie Partridge in der Lage wäre, seine Spuren so gut zu verwischen. Fingerabdrücke beseitigen, alles das. Das setzt nämlich nicht nur Gerissenheit voraus, sondern auch Kenntnisse. Und die traue ich ihr nicht zu. Ich glaube…» Joanna zögerte und sagte dann langsam: «Die Polizei ist sich ganz sicher, dass es eine Frau ist, ja?»
    «Denkst du etwa, es könnte ein Mann sein?», rief ich ungläubig.
    «Nicht – nicht ein gewöhnlicher Mann, aber eine bestimmte Art von Mann. Ich rede von Mr Pye.»
    «Dein Kandidat ist Pye?»
    «Scheint dir das so abwegig? Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er einsam ist – und unglücklich und voller Missgunst. Er wird doch von allen nur belächelt. Hältst du es nicht auch für möglich, dass er all diese

Weitere Kostenlose Bücher