Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
Sosehr sie sich auch bemühte, gelang es ihr nicht, Learco aus dem Kopf zu bekommen. Immer noch beschäftigte sie die entscheidende Frage, über die sie die ganze Nacht nachgegrübelt hatte: Wie würde Learco mit dem Tod seines Vaters umgehen? Und immer überzeugter war sie, dass er ihn letztlich nicht ertragen würde. Zu töten widersprach seinem Wesen, und noch nicht einmal die langen Jahre der Ausbildung auf dem Schlachtfeld hatten daran etwas geändert.
Du wirst sterben, bevor er auf den Thron gelangt. Für uns gibt es keine Zukunft. Ein Schauer durchlief ihre Arme und bewirkte, dass ihr die Girlande aus der Hand glitt, die sie gerade im Garten flocht.
»Sanne! Pass doch ein wenig auf!«, rief eine Kameradin in der Nähe.
Dubhe zwang sich zu einem Lächeln. »Entschuldige, ich bin etwas müde«, sagte sie und setzte die Arbeit fort.
Sie wusste wirklich nicht, was sie tun sollte. War es besser, Learco seinen Weg allein gehen zu lassen, oder so lange bei ihm zu bleiben, bis der Fluch sie zerstört hatte?
Immer noch überlegte sie hin und her, als ein Schimmern unter dem Laubengang ihre Aufmerksamkeit erregte. Hinter einer Säule erblickte sie den Prinzen, der sie mit ernster Miene beobachtete. Er trug seine Galauniform mit dem Schwert an der Seite. Dubhe verschlug es den Atem. Gewiss war es gefährlich, so ungeschützt seine Nähe zu suchen, aber auch erregend. Sie legte die Girlande auf das Gras, und als sie sicher war, dass niemand in diese Richtung blickte, stand sie auf und lief zu dem Laubengang, bemüht, ihr Herz zu beruhigen, das heftig in ihrer Brust hämmerte. Kaum war sie bei ihm, nahm er sie in den Arm, schob sie sanft gegen die Säule und küsste sie leidenschaftlich.
»Man kann uns sehen«, flüsterte sie und machte sich frei.
Learco lächelte, während sie sich verlegen das Haar richtete. »Bis morgen musst du uns eine Antwort geben.« Dubhe schluckte. »Ich möchte wissen, wie sie aussehen wird.«
»Ich komme mit dir«, sagte sie nach einigen Augenblicken.
»Dann wirst du ihn also töten.«
Schritte ließen beide zusammenzucken. Sie zogen sich tiefer in den Halbschatten zurück, wobei Learco sie aber nicht losließ.
»Nun?«
»Wie gesagt, ich komme mit dir.«
Der Prinz seufzte, mit einem Anflug von Enttäuschung in der Stimme. »Er wird auf alle Fälle sterben, Dubhe. Aber wenn es von deiner Hand geschieht, werden wir beide, du und ich, in Frieden leben können.«
»Du belügst dich selbst. Du würdest seinen Tod nie verwinden.« »Mir reicht es, dass du bei mir bist.« »Wo ist der Prinz?« Eine Stimme ganz in der Nähe ließ sie erstarren. »Du musst gehen«, flüsterte Dubhe und machte sich von ihm los. Eine strahlende Sonne tauchte die Zeremonie in gleißendes Licht. Im Garten drängten sich die Gäste, darunter viele hohe Adlige und Würdenträger anderer Länder, die Dohor seinem Herrschaftsbereich angegliedert hatte. In der Mitte war ein Holzpodest errichtet worden, auf dem der Thron stand. Und davor lag ein langer roter Teppich, auf dem sich Neor vor seinem König niederwerfen und ihn um Vergebung anflehen würde, damit die Botschaft dieses Zeremoniells allen klar war.
Von einer der Säulen des Laubengangs aus beobachtete Dubhe die Szene. Bis zum Mittagessen hatten sie und Theana keine besonderen Aufgaben mehr zu erfüllen, sodass man ihnen erlaubt hatte, aus gebührendem Abstand den ersten Teil der Zeremonie zu verfolgen, und von ihrem Platz aus konnten sie alles gut überblicken.
Mit erhobenen Lanzen und in ihren scharlachroten Uniformen zogen zuerst die Soldaten in den Garten ein. Dubhe konnte kaum die Gesichter erkennen, doch eines davon kam ihr seltsam vertraut vor. Sie ließ den Blick über die Menge schweifen und erkannte weitere bekannte Gesichter. Assassinen. Zweifellos befand sich eine ganze Anzahl Siegreicher unter den Anwesenden. Dubhe staunte, dass diese Leute, die normalerweise im Verborgenen operierten, an einer öffentlichen Darbietung des Königshauses teilnahmen. Was mochte sie dazu veranlasst haben, sich hier offen zu zeigen?
In ihre Brokatgewänder gehüllt, hielten nun auch die höchsten Vertreter des Hofes an der Menge vorbei ihren Einzug. Darunter auch Forra und Learco. Dubhes Blick folgte ihnen, bis sie in der ersten Reihe Platz genommen hatten.
Schließlich erschien der König mit der strengen, furchterregenden Miene des mächtigen Heerführers. Dubhe kannte diesen Gesichtsausdruck bereits. Bei jedem öffentlichen Auftritt, den sie in den
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