Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
Schwert Learcos Leben bedrohte, war stärker, und sie ließ sie alle hinter sich.
Während bereits die ersten Pfeile links und rechts an ihr vorbeisirrten, kletterte sie geschwind am Efeu die Mauer hinauf und dann auf der anderen Seite wieder hinunter, aber nur ein kurzes Stück, dann sprang sie. Sie wusste, wie sie lan
den musste, und dennoch durchfuhr ein heftiger Schmerz ihre Knie. Sie gab nichts drauf und war augenblicklich im Trubel der Makrater Gassen untergetaucht.
Der Thronsaal kam Learco größer als sonst vor. Mit gefesselten Händen und Füßen kniete er auf dem Marmorboden. Die Rüstung hatten sie ihm abgenommen, und sein Schwert ebenso. Nicht einmal die Stiefel hatte man ihm gelassen. Die beiden Soldaten, die ihn hergeführt hatten, standen ein wenig entfernt und kontrollierten immer wieder seine Ketten. Unten in den Verliesen, wo er eingesperrt war, hatte er auch die wenigen anderen überlebenden Verschwörer, weinend und um Gnade flehend, in den Zellen sitzen sehen. Er hatte nach Dubhe Ausschau gehalten, sie aber nirgends entdecken können. Vielleicht hatte man sie woanders hingeschleppt, oder sie hatte fliehen können. Auf alle Fälle spürte er, dass sie noch lebte. Ihre Gefährtin hatte mit ihm zusammen in der Zelle gesessen. Learco erinnerte sich, in ihrem Gesicht eine Würde gesehen zu haben, die ihn beeindruckte. Er hatte keine Ahnung, wer diese Frau tatsächlich war, doch es gab etwas, was sie verband: Dubhe. »Es wird alles gut«, hatte er ihr zugeflüstert, woraufhin sie ihm mit einem Kopfnicken geantwortet hatte. Und so hatte er sich ein Herz gefasst und sie gefragt: »Weißt du, wo Dubhe ist?«
Sie hatte den Kopf geschüttelt, und einen Moment lang hatte er sich verloren gefühlt, so als seien ihm plötzlich alle Kräfte aus dem Leib gesaugt worden. Jetzt ging die hölzerne Flügeltür auf, und ohne ihn eines Blickes zu würdigen, näherte sich Dohor mit schweren Schritten. Als er auf dem Thron saß, musterte er ihn mit jener kalten, strengen Miene, die Learco nur zu gut kannte. Und mit einem Mal wusste er, dass Dubhe Recht gehabt hatte. Er wäre niemals fähig gewesen, ihn zu töten, und noch viel weniger, einen anderen mit seiner Ermordung zu beauftragen. Wenn sein Vater ihn auf diese Weise ansah,
wurde alles andere bedeutungslos. Er schämte sich, weil er spürte, dass er, wie früher als kleiner Junge, seine Bestrafung fürchtete.
»Volco hat mit der Sache nichts zu tun«, konnte er nur sagen. In der Zelle hatte er seinen alten Adjutanten gesehen, der weinte und flehte, man möge Learco freilassen. Ungeachtet des eigenen Schicksals, versuchte er auch in dieser Situation noch, ihn zu beschützen.
»Vielleicht ist er kein Verschwörer. Aber er ist auch verantwortlich dafür, wie du geworden bist«, fauchte sein Vater wütend. »Morgen lasse ich ihm den Kopf abschlagen. Es wird Zeit, diesen Schweinestall endlich auszumisten.« Learco ballte die Fäuste und fletschte die Zähne. Es war ihm unerträglich, dass Volco nun durch seine Schuld mit dem Tod bestraft werden sollte. Und doch schaffte er es nicht, seinem Vater zu widersprechen.
»Ich hätte nicht gedacht, dass es mal so weit kommen würde«, begann Dohor. »Du hast mich überrascht, weißt du das? Das hätte ich dir wirklich nicht zugetraut. Eine Verschwörung anzetteln und sich gegen mich stellen ... Und ich habe dich für einen Schwächling gehalten. Alle Achtung. Aber wenn ich meinen Vater hätte umbringen müssen, um auf den Thron zu gelangen, hätte ich es wahrscheinlich auch getan. Es gibt Träume, die alles rechtfertigen und gewisse Opfer wert sind.«
Er betrachtete Learco amüsiert.
»Ein Schwächling hingegen ist dieser Karno. Er brauchte die Folterwerkzeuge nur zu sehen und begann schon wie Espenlaub zu zittern. Er hat gründlich ausgepackt, und es war nicht schwer, die einzelnen Mosaiksteinchen zusammenzubringen«, fügte er kichernd hinzu. »Mir schien es allerdings seltsam, dass du das Haupt dieser Verschwörung sein solltest, und in der Tat hat sich herausgestellt, dass Neor die Fäden in der Hand hatte. Du hast nichts anderes getan, als dich an ihn dranzuhängen, weil du glaubtest, dass er Erfolg haben würde. Dabei hast du noch nicht einmal gemerkt, was das für eine billige Verschwörung war. Ich an deiner Stelle hätte mich allein zu meinem Vater geschlichen und ihm im Schlaf den Hals umgedreht.« Learco errötete, denn er empfand Abscheu vor sich selbst. Sein Vater hatte mit allem Recht. Tatsächlich hatte
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