Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
dieses Land und für dich. Zu viele Jahre verstecke ich mich schon hinter meinem Vater. Ihm habe ich alles geopfert: meine Unschuld, meine Träume, sogar mein Blut. Und erhalten habe ich von ihm nur seinen eiskalten Blick und seine Verachtung. Langsam werde ich selbst so wie er. Und das darf nicht sein. Viel zu lange habe ich mir immer wieder vorgemacht, es gebe keinen anderen Weg, als ihm zu gehorchen. Und mir bliebe, wenn ich nach seinem Tod einmal selbst König sein würde, nichts anderes übrig, als seine blutige Politik fortzusetzen, weil ich ihm schon zu weit gefolgt wäre, um noch einmal kehrtzumachen und wieder der zu werden, der ich einmal war. Aber das stimmt alles nicht. Durch dich habe ich es gelernt, und deinetwegen habe ich mich den Verschwörern angeschlossen. Und jetzt bitte ich dich, mir zu helfen, Dubhe.«
Sie schüttelte entsetzt den Kopf. »Ihn zu töten, ist nicht der Weg, den du selbst für dich gewählt hast.«
»Doch. Denn wenn er nicht stirbt, werde ich dich verlieren. Und damit würdest du auch zu den unzähligen Dingen gehören, die ich nur kurz berühren durfte, bevor er sie mir nahm.«
»Bin ich das für dich, ein Mittel, um dich von deinem Vater zu befreien?«, fragte sie provozierend. »Nein, du bist meine einzige Rettung.«
Dubhe wusste nicht, was sie antworten sollte. Immer hatte sie selbst bei anderen Rettung gesucht, und nun suchte jemand diese Hilfe bei ihr. Zögernd näherte sie sich ihm, drückte ihn dann aber ganz fest an sich.
»Ich will nicht, dass du mit dem Tod deines Vaters zu tun hast. Du würdest es dir nie verzeihen, und das weißt du am allerbesten.«
Langsam machte er sich von ihr los und drückte ihr etwas in die Hand. Dubhe betrachtete es: Es war ein Lederbeutel. »Öffne ihn«, sagte er.
Sie blickte ihn fragend an, steckte die Finger hinein und holte eine zerschlissene, halb zerrissene Pergamentseite hervor. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, während ihr Tränen in die Augen traten. Sie drehte das Blatt um und sah auf der Rückseite etwas, was sie gar zu gut kannte, zwei übereinandergelegte Pentagramme, rot und schwarz, mit zwei ineinander verschlungenen, einen Kreis bildenden Schlangen in der Mitte. Das Symbol. Das Symbol ihres Fluches. Es war das Dokument, das sie so lange gesucht hatte.
»Es befand sich dort, wo du es an jenem Abend gesucht hast, eingenäht in den Wandteppich, und zwar vorn am Bug eines der Kriegsschiffe in der Seeschlacht.« >Bu. Ac.< Bug acht. Der Bug des achten Schiffes. Im Nu stellte Dubhe die Verbindung her. Sie betrachtete das Pergament in ihrer Hand. Von dieser schmierigen Rolle hing ihr Leben ab.
»Ich habe es heute gefunden. Ich dachte mir, ich schaue noch mal vorbei, wenn niemand da ist, und habe mich dabei ganz auf diese Abkürzungen konzentriert, von denen du mir erzählt hattest. So schwer war es gar nicht.«
Mit tränenverhangenen Augen blickte sie ihn an. Sie war sprachlos. »Schau mich nicht so an. Wenn du dein Leben rettest, ist meines auch gerettet«, sagte Learco. »Und ich bin viel mehr verantwortlich für das, was du tun musst. Deswegen wünsche ich mir, dass du dich dafür entscheidest. Tu es für mich, Dubhe. Tu es für uns beide.«
Sie antwortete nichts, betrachtete nur dieses unscheinbare Stück Pergament und drückte es fest.
Als sie zurück auf ihr Zimmer kam, schlief Theana noch. Lautlos trat Dubhe an ihr Bett, setzte sich auf die Kante und schaute die Gefährtin eine Weile an. Sie hatte das große Bedürfnis, sich jemandem anzuvertrauen, und Theana war die Einzige, der sie erzählen konnte, was passiert war. Nach kurzem Zögern rüttelte sie sie sanft an der Schulter.
Theana wachte auf. »Was ist los?«, fragte sie sogleich mit besorgter Miene. »Ich muss mit dir reden«, antwortete Dubhe nur.
Die Magierin setzte sich auf und hörte zu. Es war ein langer Bericht, bei dem Dubhe, fast ohne Atem zu holen, alles erzählte, was sich zwischen ihr und Learco zugetragen und entwickelt hatte. Schließlich griff sie unter ihre Jacke und holte die Pergamentrolle hervor.
Theana riss die Augen auf. »Ist das das Dokument?«
Dubhe nickte. »Ja, Learco hat es gefunden.«
Die Magierin seufzte und bemühte sich zu lächeln. »Dann ist also der Moment gekommen. Ich bin bereit«, erklärte sie mit sicherer Stimme. »Den Ritus beherrsche ich und ...«
»Ich will es nicht mehr tun«, unterbrach Dubhe sie, ohne lange zu überlegen. Theana blickte sie ratlos an, und ein Anflug von Angst huschte über ihr Gesicht.
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