Die Schattenkämpferin 02 - Das Siegel des Todes
reichen seine Kräfte ja, um das Dach halb zu öffnen. Den Rest wird Vesas mächtiger Leib besorgen.
Etwas mühsam klettert Ido hinauf, sein Blick beginnt sich zu verschleiern, er hat viel Blut verloren, doch er erreicht die Nischen. In der mittleren befindet sich der lange hölzerne Hebel, der mit einem großen Zahnrad verbunden ist. Der Gnom, der die Anlage bewachte, liegt tot, von einer Lanze durchbohrt am Boden, und Ido zieht ihn kurzerhand zur Seite. Für barmherzige Gesten ist jetzt keine Zeit.
Mit beiden Händen packt er den Hebel und zieht mit aller Kraft. Ein fürchterlicher Schmerz durchfährt seinen Arm, doch der Hebel bewegt sich, und mit einem Höllenlärm verschiebt sich der Fels.
Anstatt zu springen, lässt sich Ido einfach hinunterfallen und landet etwas ungelenk auf Vesas Rücken. Der Drache hat schon damit begonnen, sich gegen den Fels zu stemmen. Seine enormen Muskeln sind angespannt, die Tatzen gekrümmt, während sich seine Krallen im Fels festklammern. Aus der Wunde am Flügel strömt das Blut, und der Blutgeruch erfüllt den Raum.
»Noch einmal mit aller Kraft, dann haben wir's. Los, Vesa, nicht aufgeben!«
Unter lautem Krachen schiebt sich die Felswand noch ein paar Handbreit zur Seite. Dann sinkt der Drache, mit den Kräften am Ende, auf seine Vordertatzen. Unterdessen werden Kampfgeschrei und Schwerterklirren immer lauter.
»Wir haben es, los, es ist geschafft!«
Ido merkt, dass seinen Drachen alle Kräfte verlassen haben. Und genauso fühlt er sich selbst. Sie können nicht mehr, sie sind am Ende.
»Komm!«, treibt er ihn dennoch an. Und der Drache spreizt die Flügel und hebt mühsam ab.
Das Tageslicht blendet sie fast, der Vulkan Thal vor ihnen spuckt Feuer und Asche. Doch am Himmel sind keine Feinde zu sehen.
Mächtig schlägt Vesa mit den Flügeln, und im Nu steigen sie auf in der nach Schwefel stinkenden Luft und der Hitze des Vulkans, die ihnen in die Lungen dringt.
Zum ersten Mal in seinem Leben spürt Ido, dass dies seine Heimat ist. Für dieses Land hat er gekämpft, sich in dessen Bauch verkrochen, mit seinen Bewohnern gelebt, und so ist dieses Reich der Feuer und Felsen tatsächlich zu seinem Zuhause geworden.
Ich werde e s di r wieder entre i ßen, Dohor, ic h werde dir di es es La n d entrei ß en, damit es wi e d e r in s e inem alt e n Glanz erstrahlen kann, schwört er sich.
Den Blick fest auf ihr Ziel in der Ferne gerichtet, fliegen sie dahin, und die Anspannung beginnt schon von ihm abzufallen, als er plötzlich spürt, wie sich die Muskeln seines Drachen unter seinen Schenkeln verhärten, während Vesa gleichzeitig vor Schmerz laut aufbrüllt.
Sie fallen, ein Flügel des Drachen hängt lahm herab.
Ido klammert sich an Vesas Kamm fest, und ein Blick reicht ihm, um die Lage zu überblicken.
Es war ein Biss. Ein Biss in Vesas bereits verwundetem Flügel. Ido bebt vor Zorn.
Am Rand seines Blickfelds sieht er einen verdammt quirligen kleinen Drachen, und auf seinem Rücken einen Ritter, nicht viel älter als ein Knabe.
»Reiß dich zusammen! Komm!«, treibt er Vesa an, doch es ist zwecklos.
Der Drache ist am Ende, versucht dennoch, mit dem heilen Flügel die Luftströme auszunutzen, ohne Erfolg. Er kann nur noch den verwundeten Flügel ein wenig ausbreiten, um den Fall zu verlangsamen. Vesas Brüllen ist in ein Wimmern übergegangen, und Ido selbst fühlt seinen Schmerz, dass es ihm die Eingeweide umdreht und sich sein Blick verschleiert.
Er dreht sich um und sieht, dass der Ritter auf ihn zurast. Sein Drache ist jung und so unerfahren wie er selbst. Der Jüngling hält seine Lanze vorgereckt, und Ido ahnt genau, was er vorhat. In seinem Gesicht steht bereits das Lächeln des Siegers, und gewiss träumt er schon davon, mit seinem Kopf, dem Kopf des gefürchteten Ido, in sein Lager zurück zukehren.
Mit einem Ruck stellt sich der Gnom im Sattel auf, hält die Balance auf Vesas Rücken, während der junge Ritter jetzt, genau wie vorhergesehen, den Arm zurückzieht, um gleich darauf zuzustechen.
Ido braucht sich nur zu ducken, um der Lanze auszuweichen, bekommt dann, als der Drache vorbeifliegt, mit der heilen Hand dessen Zaumzeug zufassen und hält sich daran fest. Entgeistert beobachtet der Jüngling, wie sich der Gnom flink wie ein Frettchen in den Sattel hinter ihn schwingt.
»Nein!«, kann er nur noch stöhnen.
Da fährt ihm Ido mit der Klinge über die Gurgel, spürt, wie er noch zuckt im Todeskampf und dann tot in seine Arme sinkt. Mit einem Tritt
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