Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
ähnlich wie möglich ist. Der Leib eines zwölfjährigen Halbbluts wäre ideal. San wäre ideal.«
Wieder beugte Sherva zustimmend das Haupt. Dabei ließ ihn das ganze Theater eigentlich kalt. Es interessierte ihn nicht, ob Aster wiederkehrte oder Thenaars Reich auf Erden Wirklichkeit würde.
»Du musst dir den Jungen schnappen, verstanden? Bring ihn lebend her. Seinen Vater und seine Mutter kannst du beruhigt töten.«
»Ja, Eure Exzellenz.«
»Suche dir selbst einen Begleiter für diese Aufgabe aus. Ich vertraue deinem Urteil.«
Dieses Wort, >vertrauen< ließ Sherva aus irgendeinem Grund zusammenzucken. »Und mach dich unverzüglich auf den Weg.«
Sherva nickte, legte zum Gruß die gekreuzten Fäuste an die Brust und machte Anstalten zu gehen.
»Ach, warte noch einen Moment.«
Kaum merklich zitternd, blieb Sherva auf der Schwelle stehen. Er drehte sich um und versuchte dabei, seine Miene in den Griff zu bekommen. »Ja?«
»Wir alle fühlen uns schuldig wegen Dubhes Flucht, und so soll es auch sein. Dennoch habe ich den Eindruck, dass du dir die Sache zu sehr zu Herzen nimmst. Ich sah es an deinem Blick in den vergangenen Tagen. Vergiss nicht, dass es meine Entscheidung war, die Verräterin in unseren Reihen aufzunehmen. Nicht deine. Du hast lediglich meinen Befehlen gehorcht. Aber wie dem auch sei, bin ich sicher, dass Thenaar dir mittlerweile vergeben hat.« Noch einmal verneigt sich Sherva und verließ den Raum.
Kaum draußen, überkam ihn Verachtung für sich selbst. Er empfand die Katakomben der Gilde nicht mehr nur als ein modriges Loch, sondern als eine große Falle, die jederzeit zuschnappen konnte. Und er schämte sich seiner Angst, seiner Schwäche. Hier bei der Gilde war er fehl am Platz. Das hatte ihm Dubhe als Erste klargemacht.
>Oder fürchtest du mittlerweile, niemals so stark zu werden, um es mit Yeshol aufnehmen zu können?<, hatte sie ihn gefragt.
In diesem Augenblick stand ihm die Wahrheit klar vor Augen. In die Gilde war er eingetreten, um ein erstklassiger Auftragsmörder zu werden, der beste Assassine überhaupt, und diesem Ziel hatte er alles andere untergeordnet. Eines Tages würde er gegen Yeshol antreten, so hatte er gedacht, ihn töten und damit beweisen, dass er selbst der Stärkste war. Darüber waren die Jahre ins Land gegangen, und während er seinen Körper Tag für Tag mehr zu einer unfehlbaren, todbringenden Maschine formte, war sein Geist mehr und mehr ermattet. Er war nicht stärker geworden als Yeshol, sondern hatte sich ihm untergeordnet, hatte sich damit abgefunden, ein Wächter unter vielen zu sein, zwar höher stehend als ein normaler Siegreicher, aber nicht mehr. Bis dann Dubhe auf ihn eingeredet hatte.
Nun würde er Yeshol erst einmal das junge Halbblut bringen. Das stand fest.
Aber danach?
»Na endlich, das wurde aber auch Zeit!«
Mit großen Schritten hielt Rekla auf den Drachen zu, der gerade ein paar Dutzend Ellen vor ihr gelandet war. Drachen waren nichts Besonderes für sie, hatte sie doch schon viele gesehen auf den Schlachtfeldern der Aufgetauchten Welt, wo hin und wieder auch Aufträge zu erledigen waren. Dieser hier schien seinen Zenit längst überschritten zu haben, was seine gelblichen, leicht verschleierten Augen und auch das verblichene Grün seiner Schuppen bezeugten. Der Rücken des Drachen war jedoch schwarz, und ebenso die immensen membranartigen Flügel. Es handelte sich also um eine Kreuzung zwischen einem gewöhnlichen Drachen und einem jener schwarzen Drachen, die sich der Tyrann viele Jahre zuvor für seine Kriege geschaffen hatte. Der Versuch, diese miteinander zu paaren, war Dohors Idee gewesen.
Das Tier wurde geritten von einem ungehobelt wirkenden Gnomen.
»Warum hat denn dein Herr so lange gebraucht, um dich hierher zu schicken?«, fuhr Rekla ihn an.
Der Gnom stieg gemächlich ab. »Weil es so lange gedauert hat«, erwiderte er frech und blies Rekla dabei seine Bierfahne ins Gesicht.
Die Frau bebte. Wie sie es hasste, von solchen Kreaturen abhängig zu sein, von Verlorenen der niedersten Stufe, Leuten, deren Leben völlig wertlos war. Doch zum Ruhm Thenaars war es eben auch notwendig, sich solch minderwertiger Geschöpfe für die höheren Ziele zu bedienen. Nur dieser Gedanke hielt sie davon ab, zum Dolch zu greifen.
»Dann sollten wir aber jetzt keine Zeit mehr verlieren«, erklärte sie, ihren Zorn mühsam zügelnd.
Im Kiesbett hatte sie ihre Spuren entdeckt. Es war schon mindestens zwei Tage her, seit Dubhe und Lonerin
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